Tod in Lissabon
paar Stündchen geschlafen.«
»Alleine?«
»Ja, alleine. Ich habe zurzeit keine Freundin.«
»Wann hatten Sie denn zuletzt eine Freundin?«
Er zog an seiner Kippe, verzog das Gesicht und steckte sie in ein halb volles Glas Rotwein, wo sie zischend erlosch.
»Ich würde sagen, das ist eine ziemlich ungewöhnliche Frage, Inspektor Coelho«, sagte er und spuckte den Rauch aus. »Zé Coelho. Guter Name für einen Detektiv. Joe Kaninchen. Ist Ihnen das schon mal aufgefallen?«
»Erzählen Sie mir von der Freundin.«
»Kommt drauf an, was Sie eine Freundin nennen. Ich hab letzte Nacht mit einem Mädchen gepennt, aber sie ist nicht meine Freundin.«
»Wo?«
»Was?«
»Ihr Bett war doch besetzt … Wo hatten Sie Verkehr?«
Er lehnte sich an die Wand, schlug die Beine übereinander und kratzte sich an der Wange.
»Im Badezimmer. Sie hat auf der Kloschüssel gekniet. Ich bin nicht stolz darauf, Inspektor, aber Sie wollten es wissen, also bitte sehr.«
»Sie wurden gesehen, wie Sie gestern Nachmittag um halb fünf mit Catarina Sousa Oliveira die Schule verlassen haben.«
Aus dem Nebenzimmer hörte man rhythmisches Keuchen.
»Himmelherrgott«, sagte Jamie und hämmerte gegen die Wand. »Ich hab ihnen doch gesagt, dass ich die B… die Polizei im Haus habe.«
»Kommen Sie, Mr. Gallacher. Halb fünf gestern Nachmittag … was ist passiert?«
»Worum verdammt noch mal geht es eigentlich? Weswegen fragen Sie mich nach Catarina? Was für eine Art Polizist sind Sie eigentlich?«
»Beantworten Sie meine Fragen, Mr. Gallacher.«
»Wir haben bloß geredet, Himmel noch mal.«
»Worüber?«
»Ich habe versucht, sie zu überreden, zu der Party zu kommen.«
»Um ihr Englisch zu verbessern?«
Er fing wieder an, in den Aschenbechern herumzuwühlen. Ich gab ihm eine Zigarette. Er setzte sich auf den einzigen verfügbaren Stuhl und stützte die Ellenbogen auf die Knie. Nebenan schien der Druck zu steigen. Haut klatschte auf Haut. Jamie sah sich um und dann wieder zu Boden. Das Mädchen schrie.
»Ich bin die Nachwirkung Ihrer Party, Jamie. Ich kann mir das Szenario ziemlich gut vorstellen. Warum erzählen Sie mir also nicht von sich und Catarina und was Sie sich so gedacht hatten?«
»Ich hatte mich schon vorher mit ihr getroffen.«
»Sich mit ihr getroffen. Ist das so wie Erkennen im biblischen Sinne?«
»Für einen Bullen sprechen Sie verdammt gut Englisch«, sagte er. »Also gut, ich habe mit ihr geschlafen.«
»Ist sie je über Nacht geblieben?«
Er atmete tief ein.
»Seit einem halben Jahr habe ich mich bis vor ein paar Wochen ziemlich regelmäßig mit ihr getroffen. Und nein, sie ist nie über Nacht geblieben.«
»Haben Sie ihr je Geld gegeben?«
Er musterte mich von der Seite.
»Wenn Sie mich gebeten hat, ihr etwas zu leihen.«
»Und hat sie es je zurückgegeben?«
»Nein.«
Das Paar im Nebenzimmer erreichte das Ende der Straße – der Mann stöhnte und zischte, als würde er mit kaltem Wasser abgespritzt, das Mädchen wimmerte.
»Ich habe ihr gesagt, dass ich sie liebe.«
»Das heißt, für Sie war es mehr als nur Sex?«
»Es war toller Sex. Im Bett haben wir super zusammengepasst.«
»Aber Sie haben auch miteinander geredet.«
»Klar.«
»Worüber?«
»Über Musik.«
»Auch über irgendetwas Persönliches?«
»Musik ist persönlich.«
»Und was ist mit Familie, Beziehungen, Freunden … Gefühle, emotionale Dinge?«
Er antwortete nicht.
»Hat sie über ihre Eltern gesprochen?«
»Nur, wenn sie sagte, sie müsse zurück nach Hause.«
»Was hat sie gesagt, als Sie ihr erklärt haben, dass Sie sie lieben?«
»Nichts.«
»Gar nichts?«
»Nada.«
»War das nicht ziemlich deprimierend für Sie?«
»Natürlich war das verdammt deprimierend.«
»Lassen Sie uns zum Freitagnachmittag zurückkehren. Sie stehen vor der Schule und reden. Sie haben sie zu Ihrer Party eingeladen. Was macht sie?«
»Sie hat mir einen Korb gegeben. Sie meinte, sie müsste zurück nach Cascais. Ihre Eltern würden auf sie warten. Ich habe gesagt, sie solle sie anrufen und ihnen sagen, dass sie zur Festa de Santo António in der Alfama bleiben wollte. Sie war nicht interessiert. Ich habe ihr noch einmal erklärt, dass ich sie liebe, und sie ließ mich einfach stehen. Ich habe ihr Handgelenk gepackt, und sie hat sich losgerissen.«
»Wo waren Sie mittlerweile?«
»Direkt vor der Schule auf der Avenida Duque de Ávila.«
»Ganz allein?«
»Ja, die meisten anderen Kids waren schon weg oder lungerten an der Ecke
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