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Tod in Lissabon

Tod in Lissabon

Titel: Tod in Lissabon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Wilson
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seinem Kopf taten sich plötzlich neue Möglichkeiten auf.
    »Wir haben uns über Brasilien unterhalten.«
    »Habe ich dir erzählt, wie ich sie getroffen habe?«
    »Nein, sie hat es mir erzählt.«
    »Sie hat in einem Klub gearbeitet …« Felsens Stimme verlor sich, als ein riesiger Brocken komplizierter Geschichte sich vom Gletscher seiner Erinnerung löste und in sein Bewusstsein krachte.
    »Diese Sorte Frauen kennt jeden«, sagte Abrantes.
    »Was?«, fragte Felsen, noch benommen von der Lawine.
    »Ihr scheint es in Übersee nicht schlecht ergangen zu sein. Sie ist Besitzerin eines Strandklubs in einer Anlage südlich von São Paulo … ein Ort namens Guarujá.«
    »Du hast ja schon einiges rausbekommen«, sagte Felsen und beruhigte sich langsam wieder.
    »Die Brasilianer sind anders als wir. Sie amüsieren sich gern und schauen immer nach vorn. Die Portugiesen, na, du kennst ja die Portugiesen«, sagte er und wies vage auf das miese Wetter, die dunkle Straße und den Fleck an der Decke.
    Felsen lehnte sich zurück. Er wollte Abrantes nicht noch mehr Spaß gönnen. Sein Partner sah, dass das Spiel vorbei war.
    »Ich habe gesagt, du würdest sie zum Mittagessen treffen … in Estoril … Hotel Palácio.«
     
    Felsen saß im Speisesaal des Hotel Palácio. Er trug einen himmelblauen Anzug und eine gelbe Seidenkrawatte. Wolken jagten am Himmel dahin, hin und wieder schien sogar kurz die Sonne, bevor erneut Regenstürme durch die Palmen auf dem Vorplatz fegten. Felsen war erst übel, dann hatte er Hunger, und dann war ihm wieder schlecht. Seine Vergangenheit stürzte in Wellen auf ihn ein, in großen atlantischen Brechern. Er kippte ein weiteres Glas Wein hinunter, griff nach der bereits drei viertel leeren Flasche in dem Kühler und bestellte eine neue.
    Er musterte die ankommenden Gäste und verfolgte mit seinem Blick jede Frau bis zu ihrem Platz, bis zuletzt eine den Saal betrat, die immer weiter auf ihn zuging. Sie war größer, als er sie in Erinnerung hatte. Ihr einst langes schwarzes, glänzendes Haar trug sie nun kurz, die schlanke Geschmeidigkeit des noch nicht zwanzigjährigen Mädchens war dem gewichen, was ein Amerikaner vermutlich »Klasse« genannt hätte. Sie trug ein figurbetonendes, frisches weißes Kleid mit einem eckigen Kragen, der aussah, als wäre er gestärkt, und das Geräusch ihrer Nylonstrümpfe beim Gehen klang wie ein Balzruf. An diversen Tischen strengten sich Männer an, ihr nicht hinterherzustarren.
    Susana wusste um ihre Wirkung. Sie hatte es darauf angelegt. Doch sie erwartete von einem Mann auch, dass er seine Fassung nach angemessenem Staunen wieder fand.
    »Nun?«, sagte sie, und das Besteckgeklirr hob wieder an.
    Felsen stand auf, sie umtänzelten einander, küssten sich, nahmen Platz und rückten näher zueinander.
    »Wie lange ist es her?«, fragte Felsen, einen Moment lang selbst unsicher.
    »Fünfzehn Jahre …«
    »Nein, nein, sechzehn«, erwiderte er und ärgerte sich über seine deutsche Pedanterie.
    Er hob sein Glas, sie stießen an und tranken, ohne die Blicke voneinander zu wenden.
    »Mein Partner sagt, dass du enorm erfolgreich bist«, sagte er.
    »Das ist nur das, was ich ihm erzählt habe.«
    »Du siehst erfolgreich aus.«
    »Ich war gerade in Paris, um mir ein paar Kleider zu kaufen.«
    »Das spricht doch für sich.«
    »Ich habe Glück gehabt«, sagte sie. »Ich hatte gute Freunde. Reiche Männer, die einen Ort suchten, wo sie hingehen konnten …«
    »… um ihren Ehefrauen zu entkommen?«
    »Ich habe in Berlin viel gelernt«, sagte sie. »Von Eva. Eva hat mir alles beigebracht, was ich wissen musste. Siehst du sie noch manchmal?«
    Der Name schoss an ihm vorbei wie ein wildes Tier in der Nacht und ließ ihn perplex und zitternd zurück. Der Speisesaal verdunkelte sich, und der Regen prasselte so laut gegen die Fenster, dass die Menschen die Köpfe wandten.
    »Sie ist im Krieg gestorben«, sagte er ein wenig zu heftig und verbarg sein Gesicht hinter seinem Weinglas. Susana schüttelte den Kopf.
    »Wir haben von den Bombenangriffen gehört.«
    »Du bist gerade noch rechtzeitig rausgekommen«, sagte Felsen.
    Der Kellner legte mit einer silbernen Zange ein Brötchen auf den kleinen Teller neben ihrem Gedeck.
    »Und was hast du von Eva gelernt?«
    »Was Männer wollen«, sagte sie und beließ es dabei, sodass Felsen zu glauben begann, dass sie von Eva auch noch anderes gelernt hatte, wie etwa Dinge ungesagt zu lassen. Das erregte ihn.
    Der Kellner reichte ihnen die

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