Tod in Lissabon
der ganze Kontinent den Pesthauch des Todes, den fauligen Geruch des Niedergangs, und um sich gegen diesen Gestank zu immunisieren, goss er sich zu seinem zweiten Kaffee bereits einen Schluck grünen Absinth ins Glas.
Nach dem Krieg waren die Alliierten in Portugal einmarschiert, und die Amerikaner hatten sich häuslich in dem alten palácio der deutschen Gesandtschaft in Lapa eingerichtet. Doch Felsen und Abrantes hatten Glück gehabt. Ihre Wolfram-Minen wurden versiegelt, als Wolfram kaum noch etwas wert war. Man beschlagnahmte ihre Vorräte an Kork, Olivenöl und Sardinen mit der Begründung, die Waren seien für die Deutschen bestimmt gewesen. Doch die Bank mit ihren verworrenen Eigentümerverhältnissen hatte mehrere Anläufe der von den Alliierten geschickten Männer in den dunklen Anzügen überstanden, die Vermögenswerte einfrieren zu lassen. Abrantes’ Beziehungen zur Salazar-Regierung hatten sie gerettet. Nach Kriegsende erlebte die Bauindustrie in Portugal einen plötzlichen Aufschwung, Abrantes war zur Stelle und saß mit am Tisch. Er wusste zwar nichts über Häuser, aber alles über windige Finanzgeschäfte. Beamte des Ministeriums für Öffentliche Aufgaben erhielten Grundstücke und bekamen Häuser gebaut, ihren Söhnen wurden Positionen zugeschanzt, die sie nicht verdient hatten, Planer, städtische Architekten im Rathaus von Lissabon und selbst der Bürgermeister stellten fest, dass sie sich ihr Leben jetzt viel besser leisten konnten als vorher. Die Banco de Oceano e Rocha gründete eine Immobiliengesellschaft, eine Baufirma, schob Freunden Grundstücke zu und erhielt im Gegenzug Protektion von höchsten Regierungsstellen.
Und das Gold war immer noch da. Es lag zehn Meter unter Felsens Füßen in den Kellertresoren, über die der Verkehr der Rua do Ouro hinwegdonnerte.
Abrantes trank gerade sein drittes Tässchen heißen Tee, was er so lange tat, bis sein Darm die Tätigkeit aufnahm, was in der Regel nach der fünften oder sechsten Tasse der Fall war. Nach erfolgreicher Verrichtung pflegte er dann einen Anis zu nehmen, bei anhaltender Trägheit weiteren Kaffee. Er rauchte mittlerweile Zigarren, weil auch die seiner Verdauung offenbar förderlich waren, mit der er sich herumplagte, seit er die Beira verlassen hatte, um sich an einem Schreibtisch Sorgen zu machen und zu viel Fleisch zu essen.
»Haben sie dein Haus immer noch nicht fertig?«, fragte er Felsen, obwohl er wusste, dass die Arbeiten längst abgeschlossen waren.
»Ich nehme an, du brauchst die Wohnung für eine deiner Geliebten«, vermutete Felsen gallig und wandte sich vom Fenster ab.
Abrantes saugte an seiner Zigarre und wusste etwas, das Felsen nicht wusste. Er blickte zur Decke. Nach der Regenzeit im Winter und dem verregneten April hatte sich dort an einem breiten Riss ein großer Fleck gebildet.
»Hast du noch mal über Brasilien nachgedacht?«, fragte er.
»Du kannst die Wohnung haben, Joaquim«, sagte Felsen. »Ich ziehe aus, wirklich, kein Problem.«
Sie grinsten sich an.
»Brasilien wäre ein natürlicher Schritt«, meinte Abrantes. »Vielleicht hätten wir zuerst dorthin gehen sollen. Die Brasilianer …«
»Wir kannten niemanden dort, und wir kennen nach wie vor niemanden.«
»Ah!«, sagte Abrantes, zog theatralisch an seiner Zigarre und genoss es, Felsen weich zu kochen. Er blies einen kunstvollen Kringel.
»Erzähl es mir«, sagte Felsen gelangweilt.
»Du warst immer der Deutsche, der Portugiesisch mit brasilianischem Akzent gesprochen hat. So habe ich zum ersten Mal von dir gehört.«
»Das habe ich dir doch erzählt, ein brasilianisches Mädchen in Berlin hat es mir beigebracht.«
»Hieß sie nicht Susana Lopes?«, fragte Abrantes.
Ein Bild flackerte vor Felsens innerem Auge auf – Susana, die ihre Beine hinter seine Kniekehlen gehakt hatte und ihre Scham auf ihn niederdrückte. Er räusperte sich.
»Habe ich dir von ihr erzählt?«, fragte Felsen.
Abrantes schüttelte den Kopf. Jetzt kommen wir langsam zur Sache, dachte Felsen.
»Ich glaube, ich habe nicht einmal ihren Namen erwähnt.«
»Ich habe gestern Abend einen Anruf von Susana Lopes bekommen, die ihren alten Freund Klaus Felsen suchte, der, wie sie gehört hatte, Direktor der Banco de Oceano e Rocha geworden ist.«
Felsens Herz machte einen Satz, und er musste sich zwingen, nicht aufzuspringen.
»Wo ist sie?«
»Eine sehr charmante Frau«, meinte Abrantes und spielte mit seinem Zigarrenabschneider.
»Sie ist hier?«, fragte Felsen, und in
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