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Tod in Lissabon

Tod in Lissabon

Titel: Tod in Lissabon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Wilson
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und trommelten auf den Tisch, selbst das Mädchen stimmte ein, auch wenn sie nicht wusste, warum.
    »Darf der Gefangene lachen?«, fragte Hanke.
    Sie brüllten erneut los.
    »Gefangener Felsen. Lachen!«, befahl Fischer.
    Felsen lächelte, blinzelte und suchte seiner Erleichterung alle nur denkbare Heiterkeit abzugewinnen. Seine Schultern begannen zu beben, sein Magen pumpte, und er lachte, bis er nicht mehr konnte und nur noch weiter würgte. Er lachte, bis die SS-Offiziere verstummten.
    »Der Gefangene wird jetzt aufhören zu lachen«, sagte Lehrer.
    Felsen klappte den Mund zu und stand wieder bequem.
    »Wir haben ein paar Sachen für Sie zurechtgelegt. Ziehen Sie sich um.«
    Er ging in die Küche, zog seine verdreckten Sachen aus, schlüpfte in einen dunklen Anzug, der ihm zu weit war, und kehrte an den Tisch zurück.
    »Essen Sie«, sagte Lehrer.
    Er plünderte den Tisch in seiner unmittelbaren Umgebung gründlicher als eine abziehende Armee. Die Offiziere unterhielten sich untereinander, bis auf Lehrer. »Halten Sie mich nicht für einen schlechten Verlierer«, sagte er.
    »Das tue ich nicht, Herr Gruppenführer.«
    »Was denken Sie dann?«
    »Ich denke, dass Sie das sind, was Ihr Name sagt … ein Lehrer, Herr Gruppenführer.«
    »Und was haben Sie gelernt?«
    »Gehorsam, Herr Gruppenführer.«
    »Wir geben Ihnen diesen Auftrag, den Sie nicht wollen, aus einer Reihe von Gründen. Sie können organisieren. Sie sind skrupellos und aggressiv. Aber Sie dürfen nicht aufsässig sein, Felsen. In Ihrem Geschäft verliert man vielleicht eine Stunde, wenn jemand seine Befehle nicht befolgt. Im Geschäft des Krieges könnten es tausend oder mehr Leben sein. Für Einzelgänger ist kein Platz. Kontrolle ist der Schlüssel. Und ich habe die Kontrolle«, sagte er und schwenkte den Cognac in seinem Glas. »Und warum wollen Sie den Auftrag nicht?«
    »Ich möchte Berlin nicht verlassen, Herr Gruppenführer. Ich habe eine Fabrik zu leiten.«
    »Wenigstens ist es kein Mädchen.«
    »Ich habe Qualitätswaren produziert und meine Dankbarkeit gezeigt.«
    »Lenken Sie nicht ab. Was gibt es für einen Schwaben wie Sie außer Ihrer Fabrik in Berlin? Wir reden schließlich nicht von Paris oder Rom. Es ist keine Stadt, in die man sich verlieben könnte. Nicht wie Nürnberg, meine Stadt. Und die Berliner? Sie glauben offenbar ernsthaft, dass die Welt ihnen ein Auskommen schuldet.«
    »Vielleicht gefällt mir ihr Humor.«
    »Tja, nun, ihr Schwaben wart immer ein wenig trocken.«
    »Ich fürchte, ich kann Ihnen nicht folgen«, sagte Felsen leicht gereizt.
    »Von einem Schwein zu Tode getrampelt. Was war das?«
    Felsen antwortete nicht.
    »Glauben Sie, ich wüsste nicht Bescheid über Ihren Vater?«, fragte Lehrer.
    »Nun, da haben Sie gleich zwei Beispiele schwäbischen Humors.«
    »Das hat mir Probleme bereitet, Hanke hielt Sie für psychisch instabil.«
    »Vielleicht hätte ich mich bei ihm mehr anstrengen sollen.«
    Lehrer beugte sich über den Tisch, sein Gesicht war vom Wein gerötet, sein Atem roch säuerlich und nach Tabak.
    »Dieser Posten ist eine Chance für Sie … eine große Chance. Sie werden mir dankbar sein, das weiß ich.«
    »Warum erzählen Sie mir dann nicht davon, Herr Gruppenführer?«
    »Noch nicht. Morgen. Sie kommen nach Lichterfelde. Zuerst werden wir Sie vereidigen.«
    »In die SS.«
    »Natürlich«, sagte Lehrer und bemerkte Felsens erstarrte Miene. »Machen Sie sich keine Sorgen, es geht nach Westen, nicht nach Osten.«
     
    Sie fuhren langsam über den frisch gefallenen Schnee Richtung Norden zurück nach Berlin. Der vertraute Geruch war die Lichterfelder Kaserne gewesen. Hin und wieder kam ihnen ein Wagen entgegen, und Felsen erkannte die Umrisse von Offizieren, die sich ein Mädchen teilten. Lehrer schwieg. Es hörte auf zu schneien. Sie erreichten Berlin, und der erste Wagen bog Richtung Tiergarten und Moabit ab. Lehrer befahl dem Fahrer, eine kleine Stadtrundfahrt zu machen. Felsen starrte in die Dunkelheit, die schwarzen Parks, die Flaktürme, die verdunkelten Häuser, der stille Anhalter Bahnhof.
    »Es ist das Wesen des Krieges, dass Dinge geschehen«, sagte Lehrer. »Mehr als in Friedenszeiten je geschehen könnten. In dieser Hinsicht ist es die aufregendste Zeit im Leben eines Mannes. In einem Augenblick leiten Sie eine Fabrik und verdienen mehr Geld, als Sie es sich als schwäbischer Bauer je hätten träumen lassen. Sie tanzen mit den Mädchen im Goldenen Hufeisen und flanieren mit all den anderen

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