Tod in Lissabon
mit, dass Menschen im Zimmer waren. Licht und Schatten bedrängten seine Augen, Möbel wurden verrückt. Er hörte undeutliche Stimmen und den Wind, der immer noch ums Haus fegte und an den Fenstern rüttelte. In seinem Schädel blitzte etwas auf, und er trieb wieder davon wie ein Floß im aufgewühlten Meer.
Mehrmals wachte er auf, ohne zu wissen, wie lange er geschlafen hatte. Jedes Mal spürte er eine große Hitze in sich, als würde sein Körper fossilen Treibstoff verbrennen. Beim letzten Mal nahm er auch einen Geruch war, einen fürchterlichen Geruch, der ihm Angst machte und ihn schwach zurückließ wie den kümmerlichen Kleinsten aus einem Wurf Welpen.
Als er wieder aus der Dunkelheit auftauchte, dämmerte der Morgen mit dem ersten Grau. Sein Kopf war zu schwer, um ihn von dem Kopfkissen zu heben. War er diesmal wirklich wach? Er wartete, bis er erkannte, wo er war, um sich zu vergewissern, dass er tatsächlich bei Bewusstsein war. Weiteres Licht sickerte herein, ein Hauch von Weiß, wie die Farbe von Knochen. Sein verletzter Arm tat nicht mehr so weh, in dem anderen steckte eine Kanüle. Er hörte Stimmen im Flur, die sich über einen Putschversuch in Beja unterhielten. Es fiel der Namen von General Machedo, doch das Zuhören wurde ihm zu anstrengend, und er blendete sich wieder aus.
Als er den rechten Arm bewegte, stellte er fest, dass er mit Handschellen an das Bettgestell gefesselt war. Behutsam versuchte er seinen nach wie vor schmerzenden linken Arm zu heben, was ihm unerwartet leicht fiel. Er blickte auf seine Brust, doch sein Arm war nicht da. Er spürte ihn, aber er war nicht da. Genau wie die Hand, das Handgelenk, der Ellbogen, allesamt spürbar, aber nicht da. Er schrie so laut auf, dass es seine Lunge beinahe zerrissen hätte.
Zwei mit Gewehren bewaffnete Wachen stürzten ins Zimmer.
»Was zum Teufel ist hier los?«, fragte der Ältere.
»Mein Arm«, brüllte Felsen. »Mein Arm ist weg.«
Die Wärter sahen ihn benommen an.
»Das stimmt«, sagte der Jüngere. »Sie haben ihn abgenommen.«
Der Ältere versetzte ihm einen Stoß mit dem Ellenbogen.
»Was denn?«, fragte der Jüngere.
»Er hat seinen Arm verloren, Herrgott noch mal.«
»Jedenfalls riecht er jetzt sehr viel besser als bei seiner Einlieferung.«
Der ältere Wärter warf ihm einen vernichtenden Blick zu und ging einen Arzt holen. Der Jüngere lief im Zimmer auf und ab.
»Warum bin ich ans Bett gekettet?«, fragte Felsen.
»Sie haben einen Mann getötet«, sagte der Wärter. »Sie waren total betrunken und haben einen Mann getötet. Sobald Sie transportfähig sind, werden Sie zurück nach Caxias verlegt.«
»Ich kann mich an keinen Prozess erinnern.«
»Der kommt schon noch.«
Felsen ließ seinen Kopf auf das Kissen zurücksinken und blinzelte zur Decke.
»Würden Sie etwas für mich tun?«
»Sie sehen nicht aus, als hätten Sie viel Geld dabei.«
»Können Sie für mich einen Joaquim Abrantes anrufen? Er wird Ihnen Geld geben.«
Der Wärter schüttelte den Kopf. Das lohnte die Mühe nicht.
Zwei Wochen später wurde Felsen zurück ins Gefängnis von Caxias verlegt. Eine Woche darauf wurde er aus seiner kalten und feuchten Zelle in ein Zimmer mit zwei Stühlen und einem Tisch geführt, auf dem als Aschenbecher eine leere Sardinendose stand. Abrantes kam mit einem Vollzugsbeamten herein, und die beiden Männer gaben sich die Hand. Abrantes klopfte ihm auf die Schulter und versuchte, ihm aufmunternd zuzunicken. Felsen strengte sich an, die Kälte aus seinem Blick zu verbannen – Abrantes war der Einzige draußen, der ihm helfen konnte. Sie setzten sich, und Abrantes zog ein Päckchen von Felsens türkischen Lieblingszigaretten und einen Flachmann mit Cognac aus der Tasche. Sie zündeten sich eine Zigarette an und tranken.
»Und was geschieht jetzt?«, fragte Felsen.
»Das Ganze ist eine sehr verwickelte und mittlerweile auch bürokratisch verfahrene Situation.«
»Nach meinem Anruf bei dir kann ich mich an praktisch nichts mehr erinnern.«
»Das war das erste Problem. Du hast mich über die Vermittlung in Cascais angerufen. Bis ich meine Freunde bei der PIDE kontaktiert hatte, war bereits ein durch unser Gespräch alarmierter Streifenwagen unterwegs, weil deutlich geworden war, dass es einen Toten gegeben hatte. Und dass du nicht als Erstes die Polizei angerufen hast, war natürlich verdächtig. Sehr verdächtig.«
»Er ist in mein Haus eingebrochen. Er war bewaffnet.«
»Genau wie du. Auf der
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