Tod in Lissabon
sollen. Er stellte Schmidt ein Bein, doch der schaffte es, mit rudernden Armen die Balance zu halten und sich auf der Anrichte abzustützen. Eine Pistole fiel scheppernd neben den Teppich. Schmidt stürzte und drehte sich auf den Rücken. Als Felsen über ihm kniete, blickte er unvermittelt in den Lauf seiner eigenen Waffe.
»Ich dachte, wir reden, Schmidt.«
»Das haben wir ja, aber jetzt habe ich es mir anders überlegt«, antwortete er. »Erpressung ist eine komplizierte Sache, da kann vieles schief gehen.«
»Das gilt auch für Einbruch und den Verkauf eines gestohlenen alten Meisters.«
»Ich hatte eher an Mord gedacht.«
»Mord?«, fragte Felsen. »Was haben Sie denn von einem Mord? Ihre Gesundheit ist dahin, Sie sollten an die Zukunft Ihrer Kinder denken.«
»Die kennen mich nicht. Ich habe sie gesehen, aber sie kennen mich nicht.«
»Was soll das?«, fragte Felsen. »Inzwischen weiß ich nicht mehr, worum es hier eigentlich geht.«
»Es geht um Loyalität«, sagte Schmidt.
Als Schmidt abdrückte, stockte Felsen der Atem, doch man hört nur ein trockenes Klicken. Felsen griff nach Schmidts Waffe und hechtete in eine Ecke des Raumes. Man hörte einen ohrenbetäubenden Knall, viel lauter als die Explosion einer Kugel in einem geschlossenen Raum, und Felsen spürte einen brennenden Schmerz am Ohr. Als Nächstes vernahm er jenes Schreckensgeräusch aus der Prinz-Albrecht-Straße, das Stöhnen eines Mannes kurz vor dem Orgasmus. Er hob die zu Boden gefallene Waffe auf und drehte sich auf den Rücken.
Schmidt lehnte mit ausgestreckten Beinen schlaff an der Anrichte und starrte mit aufgerissenen Augen auf den blutigen Stumpf am Ende seines rechten Arms. Seine Brust und sein Schoß waren blutüberströmt. Sein Regenmantel war aufgerissen, das Gesicht und das graue Haar rot gesprenkelt. Schmidt wollte schreien wie ein Mann, der in einen Albtraum geraten ist, brachte jedoch nur ein Wimmern heraus.
Das Blut, das aus der durchtrennten Arterie spritzte, bildete eine Lache, die sich auf dem Teppich zur Polstergarnitur hin ausbreitete.
»Ich gehe jetzt«, sagte Schmidt seltsam höflich, als hätte er bekommen, was er wollte, und würde nun seiner Wege ziehen.
Felsen rappelte sich auf die Füße. Sein Spiegelbild im Fenster hatte dunkle Streifen im Gesicht. Der Spiegel sagte ihm, dass er ein halbes Ohr verloren hatte. Sein Arm brannte von der Schulter bis zum Handgelenk. Er tastete mit den Fingern der rechten Hand und spürte eine tiefe Fleischwunde im Trizeps. Seine Knie gaben nach, und er wäre beinahe in Ohnmacht gefallen.
Im Badezimmer zog er die Jacke aus und wusch sich, so gut er konnte. Er ließ Wasser über seinen verletzten Arm laufen, was jedoch keinen Unterschied machte. Der Arm fühlte sich an, als würde jemand ein glühendes Stück Kohle darauf pressen. Er hängte den Kopf über das Waschbecken. Er musste nicht nur Schmidt beiseite schaffen, sondern sich auch um die Möbel und den großen antiken Arraiolos-Teppich kümmern. Er wickelte ein Handtuch um seinen Arm und ging zurück ins Wohnzimmer.
Dort beugte er sich über Schmidt, zog den Korken aus der aguardente -Flasche und trank gierig. Mit der Flasche im Schoß setzte er sich auf das Sofa und meldete vom westlichsten Telefon des europäischen Festlands ein Gespräch mit Abrantes an. Die Telefonistin stellte ihn durch.
Das Hausmädchen nahm ab und weigerte sich zunächst, Abrantes zu stören. Felsen redete eine halbe Minute auf sie ein. Er wusste, was Abrantes machte. Er trank einen weiteren Schluck und fand ein neues Päckchen Zigaretten. Schließlich nahm Abrantes den Hörer ab.
»Ich brauche deine Hilfe«, sagte Felsen.
»Kann das nicht warten?«, fragte Abrantes verärgert.
»Ich brauche die Hilfe deiner Freunde … der Freunde, für die Manuel arbeitet.«
Abrantes schwieg und war jetzt ganz Ohr. Felsen nahm noch einen Schluck aus der Flasche und kämpfte mit den Tränen.
»Die Geschichte damals mit Susana Lopes ist eskaliert. In meinem Wohnzimmer liegt ein Toter.«
»Das reicht«, sagte Abrantes, »kein Wort mehr. Ich schicke jemanden vorbei. Bist du verletzt?«
Felsens Gesicht brannte. Die Zigarette klebte auf seiner juckenden Unterlippe. Schweißtropfen perlten von seiner Oberlippe.
»Mein Arm.«
»Lass die Tür offen.«
Felsen legte mühsam den Hörer auf die Gabel, schleppte sich zur Haustür und halb wieder zurück. Schmidts weißes Gesicht war das Letzte, was er sah, als er über die Schwelle ins Wohnzimmer fiel.
Er bekam
Weitere Kostenlose Bücher