Tod in Lissabon
Pistolen auf die Anrichte hier?«
Die Pistole vor sich haltend, kam Schmidt zwischen den Möbeln hindurch auf ihn zu. Aus der Nähe sah Felsen, wie grau sein Gesicht geworden war. Schmidt war ein kranker Mann und deshalb umso gefährlicher. Mit einem Nicken legten sie ihre Waffen gleichzeitig auf das polierte Holz. Felsen goss einen Drink ein.
»Ich bin überrascht«, sagte Felsen, obwohl er nicht so klang. Der Alkohol und der plötzliche Adrenalinausstoß hatten eine seltsame Wirkung auf ihn. »Man hat mir erzählt, dass Sie, die Taschen voller Steine und mit einer Kugel im Kopf, auf dem Grund eines Flusses liegen.«
Felsen reichte ihm ein Glas aguardente . Schmidt schnupperte daran.
»Ihr Partner ist mir nicht einmal nachgelaufen. Ich habe ihn gesehen. Er hat sich in der Nähe des Hauses herumgedrückt, als wollte er mir Zeit geben zu entkommen. Und als er schließlich annahm, ich sei längst über alle Berge, ist er zu dem Mohnfeld gegangen und hat eine Salve in die Luft gefeuert. Kein tapferer Mann, aber auch nicht dumm. Ich hätte ihn getötet.«
»Warum haben Sie uns nicht im Haus überrascht?«
»Wie im Kino«, sagte Schmidt und legte spöttisch den Kopf auf die Seite. »Ich habe darüber nachgedacht und beschlossen, dass es zu gefährlich war. Außerdem ging es damals nicht darum, Sie beide umzubringen.«
»Haben Sie Eva deshalb zu mir geschickt?«
»Eva?«
»Susana, meine ich. Susana Lopes … aus Saõ Paulo.«
»Susana hätte es fast geschafft. Sie hat einen Anfängerfehler gemacht, aber sie war ja auch eine Anfängerin.«
»Arbeiten Sie in irgendjemandes Auftrag, Schmidt?«
»Das ist eine persönliche Sache«, sagte er.
»Warum erzählen Sie mir dann nicht erst einmal, was Sie wollen?«, sagte Felsen. »Damit das offen auf dem Tisch liegt. Sie wollen doch nicht etwa das Gold, oder?«
»Gold«, erwiderte Schmidt, und das war weder Frage noch Antwort.
»Sie sind krank«, sagte Felsen, irritiert von der Ziellosigkeit des Mannes. »Das sehe ich.«
»Lungenfibrose«, antwortete Schmidt.
»Wo leben Sie inzwischen?«
»Wieder in Deutschland, in Bayreuth«, sagte Schmidt und nippte an seinem Drink. »Ich stamme aus Dresden, wussten Sie das? Was die mit Dresden gemacht haben, haben Sie ja mitbekommen. Ich bin nie wieder dort gewesen.«
»Hat Ihre Familie überlebt?«
»Sie ist in Dortmund«, sagte er.
»Kinder?«
»Zwei Jungen und ein Mädchen, alle drei schon ziemlich erwachsen.«
»Verstehe«, sagte Felsen und kam sich vor wie der Kreditsachbearbeiter einer Bank. »Die Pistole, die Sie da haben, ist amerikanisch.«
»Ein Andenken.«
»Schießt sie kleine Sternchen?«
Schmidt lächelte. Die Anspannung legte sich. Felsen lockte ihn von den Pistolen weg. Er hockte sich auf die Armlehne des Sofas, Schmidt auf die eines Sessels, sodass ihre Knie sich beinahe berührten.
»Das Gemälde kommt mir bekannt vor«, meinte Schmidt.
»Auch ein Andenken.«
»Sieht nicht aus wie ein billiger Druck.«
»Ich habe es in der Baywater Street in London gekauft.«
»Ist es eine Kopie?«, fragte Schmidt und wollte aufstehen.
Felsen legte eine Hand auf die Schulter des Mannes.
»Es ist ein Rembrandt, Schmidt. Und nun erklären Sie mir mal den Zweck Ihres Besuches. Es war ein langer Abend, und ich bin müde.«
Schmidts faltiger Hals wand sich in dem ausgefransten Hemdkragen. Unter seinem Kinn entdeckte Felsen eine Reihe grauer Stoppeln, die Schmidt bei der morgendlichen Rasur übersehen hatte. Aus seinem Ohr wucherte ein Büschel Haare.
»Ich bin nicht der Einzige, der eine heikle Vergangenheit hat«, sagte er.
»Ah«, meinte Felsen. »Noch so eine Mode aus Amerika. Ich habe gehört, Erpressung soll dort drüben zurzeit ungeheuer populär sein.«
Unter den Augen des alten Mannes auf dem Rembrandt-Gemälde zuckte Schmidts Blick zurück zu den Pistolen auf der Anrichte.
»In gewissen Kreisen ist man sehr interessiert«, sagte er ohne rechte Überzeugung.
»Meinen Sie nicht, dass die mit den Russen alle Hände voll zu tun haben?«
»Wenn es um ein Millionen-Dollar-Unternehmen geht, das im Krieg mit SS-Mitteln gegründet wurde, haben sie noch jede Menge Hände frei.«
»Es besteht natürlich die Gefahr, dass Ihnen die ganze Chose um die eigenen Ohren fliegt, Schmidt. Bis auf Ihre schillernde Vergangenheit haben Sie keinerlei Beweise.«
Schmidt stürzte in Richtung Anrichte. Obwohl Felsen diesen Augenblick schon seit geraumer Zeit vorausgesehen hatte, war er nicht so schnell, wie er hätte sein
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