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Tod in Lissabon

Tod in Lissabon

Titel: Tod in Lissabon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Wilson
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unregistrierten Waffe hat man deine Fingerabdrücke sichergestellt. Und in der Leiche hat man eine Kugel aus dieser Waffe gefunden.«
    »Ich weiß nicht …« Felsen stockte und kaute auf den Resten seines Daumennagels.
    »Du siehst, wie kompliziert die Sache geworden ist.«
    »Das war nicht meine Pistole. Er hatte meine Pistole. Meine Pistole ist in seinem Gesicht explodiert.«
    »Was hat er mit deiner Waffe gemacht und du mit seiner?«
    Felsen schloss die Augen und rieb sich die Nase. Er erzählte Abrantes, was passiert war, so gut er sich daran erinnern konnte. Abrantes hörte ihm zu, blickte dabei immer wieder auf seine Uhr und trank mehr als seinen Anteil von dem Cognac, während er Felsen hin und wieder murmelnd und nickend ermutigte weiterzusprechen.
    »Weißt du«, sagte er, als er sicher war, dass der Deutsche fertig war, »ich glaube, vor Gericht kannst du nichts von alldem sagen.«
    »Vor Gericht?«
    »Es muss doch einen Prozess geben.«
    »Was ist mit deinen Freunden von der PIDE?«
    »Wie schon gesagt … es ist eine sehr schwierige und mittlerweile auch bürokratisch verfahrene Situation. Du bist in die Mühlen des Systems geraten. Und es ist nicht so leicht, dich da wieder rauszuholen.«
    »Ich kann mich nicht erinnern, einer Straftat beschuldigt worden zu sein.«
    »Die Anklage lautet auf Mord, mein Freund.«
    Felsen drückte seine Zigarette aus und schob dabei die Sardinendose über den Tisch.
    »Du weißt, wer er war, oder?«
    »Wer?«
    »Der Tote.«
    »Laut seinen Papieren ein deutscher Tourist namens Reinhardt Glaser.«
    Felsen schüttelte den Kopf, und sein stechender Blick schien Abrantes durchbohren zu wollen.
    »Du schuldest mir etwas«, sagte er.
    »Ich schulde dir etwas?«
    »Der Tote war Schmidt … du erinnerst dich doch?«
    »Schmidt?«
    »Der Mann, den du angeblich in jener Nacht im Alentejo erschossen hast. Du hast gesagt, du hättest seine Leiche im Fluss versenkt …«
    »Nein, nein, nein, nein.«
    »Doch, Joaquim«, sagte Felsen und nahm Abrantes den Flachmann aus der Hand. »Er war es. Du hast mich belogen. Er hat gesagt, du hättest ihn gar nicht verfolgt. Er hat mir erzählt, dass du in dem Mohnfeld ein paar Mal in die Luft gefeuert hast. Er hat dich gesehen. Schmidt hat dich gesehen.«
    »Nein, nein, nein … sein Name war Reinhardt Glaser. Du irrst dich.«
    »Ich irre mich nicht. Und das weißt du auch.«
    »Ich? Woher? Ich habe den Toten nie gesehen.«
    Es war so still geworden, dass man das Knistern des brennenden Tabaks hörte.
    »Dafür schuldest du mir etwas, Joaquim.«
    »Also, hör mal«, sagte Abrantes, »du hast deinen Arm verloren, und das tut mir Leid. Du hast ein schlimmes Erlebnis gehabt und stehst noch immer unter Schock. Weißt du, was ich für dich tun werde? Ich werde dir einen erstklassigen Anwalt besorgen, der dich aus diesem Schlamassel rausholt. Wenn der keinen Freispruch für dich erkämpft, dann kann es keiner. Und jetzt trink. Ich muss los. Pica erwartet mich im Chiado. Je später ich komme, desto mehr Geld gibt sie aus. Força, amigo meu. « Sei stark, mein Freund.
    Das war das Letzte, was Felsen von Abrantes sah. Der angekündigte Anwalt tauchte nie auf. Sein alter Partner kam auch nicht zu dem neun Monate später stattfindenden Prozess und verpasste daher, wie Felsen wegen Mordes an einem deutschen Touristen, der durch seine Papiere als Reinhardt Glaser ausgewiesen war, zu zwanzig Jahren Haft verurteilt wurde.
    Zu Beginn seiner zwei Jahrzehnte dauernden Haft hatte Felsen einen kurzen, aber lebhaften Traum, in dem vier Hufeisen vorkamen, die gerade gebogen und zu einem Eisengitter verwoben wurden. Hinter den Gitterstäben hockte eine Echse, deren Kopf zu einem blutigen Brei zermatscht war. Er schreckte mit der Erinnerung an einen Gedanken hoch, den er an einem stürmischen Weihnachtsabend auf der Straße nach Guincho gehabt hatte, und er wusste, dass er damals selbst in seinem Rausch instinktiv richtig gelegen hatte – Maria hatte Abrantes erzählt, dass Manuel nicht sein Sohn war. Er vergegenwärtigte sich seine letzte Begegnung mit seinem Partner. Dem Anschein nach war der Mann mit Cognac, Zigaretten und Hoffnung machenden Versprechungen gekommen, doch in Wahrheit wollte er nur seine Befriedigung auskosten und sich über dem wärmenden Feuer der Rache die Hände reiben.
    Zwei Wochen nach dem Prozess vom 18. November 1962 setzte Abrantes sich mit Dr. Aquilino Dias Oliveira, seinem neuen Anwalt, zusammen, um die Satzung der Banco de Oceano e Rocha

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