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Tod in Lissabon

Tod in Lissabon

Titel: Tod in Lissabon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Wilson
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schon.«
    »Die Revolution ist ein sensibles Thema«, sagte ich. »Wir hätten nach einem Tag wie gestern nicht darüber reden sollen.«
    »Das hat mein Vater auch gesagt. Er hat gesagt, sie liegt noch nicht einmal eine Generation zurück. Es ist noch zu frisch.«
    »Ihre Generation kann die Ereignisse von damals objektiver betrachten. Ich bin noch immer … ich war beteiligt«, sagte ich. »Was ist mit Ihrem Vater?«
    »Er war Kommunist und Gewerkschaftsaktivist auf einer der Werften. Er hat fast vier Jahre in Caxias gesessen.«
    Wir standen nickend da, weil das Thema zu ernst war, um Bemerkungen darüber zu machen. Ich kam mir vor wie ein Mann, der einem anderen um einen massiven Baumstamm herum die Hände gereicht hatte. Ich komplimentierte Carlos in die Küche und versorgte ihn mit Kaffee. Er legte die gründlich gelesene Zeitung auf den Tisch.
    »Steht irgendwas Interessantes drin?«, fragte ich.
    »Ein Artikel über Catarina Oliveira.«
    »Tatsächlich?«
    »Man hätte nicht gedacht …«
    Ich las den Artikel, der die Fakten des Falles zusammenfasste: Fundort und -zeit der Leiche, Todeszeitpunkt und -Ursache, ihre Schule und der übliche Verlauf ihres Freitagnachmittags. Überraschenderweise wurde sogar mein Name erwähnt.
    »Was halten Sie davon?«, fragte Carlos.
    Ich zuckte die Achseln. Die Sache war äußerst ungewöhnlich. Wenn ich ein argwöhnischer Mensch wäre, würde ich vermuten, dass es Dr. Aquilino Oliveira war, der seine Freunde warnte, darauf zu achten, mit wem sie redeten. Ich spürte, dass der Fall noch eine andere Dimension hatte, eine öffentliche.
    »Vielleicht wirbelt es irgendwas Nützliches auf«, sagte ich. »Was noch?«
    »Ein langer Artikel über die Gold-Affäre.«
    »Ich wusste gar nicht, dass es eine Gold-Affäre gibt.«
    »Wir leiten eine offizielle Untersuchung ein. Die Vereinigten Staaten, die Europäische Gemeinschaft und die jüdischen Organisationen haben eine Menge Druck gemacht, dem wir bis jetzt ausweichen konnten, aber nun müssen wir deswegen schließlich doch etwas unternehmen.«
    »Wir? Wer? Was?«, fragte ich. »Sie klingen wie ein portugiesischer Reporter, der einem immer alles erzählt, nur nicht das, was man wissen will.«
    »Die Regierung hat eine Untersuchung der portugiesischen Beteiligung am Export von Rohstoffen gegen Nazi-Gold während des Zweiten Weltkriegs angeordnet. Außerdem soll ermittelt werden, ob bei Kriegsende geraubtes Gold gewaschen und nach Südamerika transferiert worden ist.«
    »Die Regierung?«
    »Genau genommen nicht die Regierung, sondern der Vorstand der Banco de Portugal«, sagte er und breitete die Zeitung auf dem Tisch aus. »Sie haben jemanden engagiert, der ihre Archive durchsehen soll.«
    »Wen?«
    »Irgendeinen Professor.«
    »Da wird er aber hübsch vorsichtig vorgehen müssen«, sagte ich. »Wer zwingt uns denn dazu, öffentlich unsere schmutzige Wäsche zu waschen?«
    »Die Amerikaner. Ein US-Senator behauptet, ihm würden Beweise für eine portugiesische Beteiligung vorliegen. Hören Sie sich das an: … 1939 betrugen unsere Goldreserven knapp eineinhalb Milliarden Escudos, 1946 waren es fast elf Milliarden. Was sagt man dazu?«
    »Das heißt, dass wir im Krieg eine Menge Rohstoffe verkauft haben. Das ist doch keine Geldwäsche. Woher kam denn das ganze Gold?«
    »Aus der Schwei–«, setzte er an und verstummte.
    Ich folgte seinem Blick. Olivia war in die Küche gekommen und hatte sich seitlich auf einen Stuhl gesetzt. Sie trug ihren kürzesten Minirock und hochhackige Sandalen von ihrer Mutter. Sie schlug ihre langen honigbraunen Beine übereinander und goss sich eine Tasse Kaffee ein. Ihre Haare hatte sie zu einem glänzenden blauschwarzen Etwas frisiert, ihre Lippen waren feuerrot, und ihre jungen Brüste pressten sich gegen ein mitternachtsblaues, bauchfreies Top.
    »Gehst du aus?«, fragte ich.
    Sie warf ihre Haare über die Schulter, als hätte sie es lange geübt.
    »Ja«, sagte sie. »Später.«
    »Das ist mein neuer Partner, Carlos Pinto.«
    Sie wandte den Kopf, als gäbe es in ihrem Hals einen sehr teuren und komplizierten Mechanismus zur Glättung der Haut. Ihre Zunge klebte an ihrer Oberlippe.
    »Wir haben uns schon an der Tür getroffen.«
    Carlos räusperte sich. Wir sahen ihn beide an. Er hatte eigentlich gar nicht auf sich aufmerksam machen wollen, doch jetzt musste er etwas sagen.
    »Ich hatte gestern Abend einen Streit mit deinem Vater«, sagte er.
    Schwamm drüber.
    »Kneipenschlägereien«, sagte sie mit ihrem

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