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Tod in Marseille

Tod in Marseille

Titel: Tod in Marseille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Gercke
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Die Stimme des Sprechers war nicht zu hören, weil der Keeper den Ton abgestellt hatte. Aber dem Bild folgte ein anderes, auf dem ein paar Polizisten zu sehen waren, die um einen Mann herumstanden, der auf dem Boden lag. Er trug einen hellen Anzug und hatte weißblonde Haare. Dann folgte ein weiteres Bild, auf dem eine Straße zu sehen war, die sie kannte.
    Maria-Carmen bat den Barkeeper nicht, den Ton lauter zu stellen. Sie verließ die Bar und ging in den Innenhof. Unter den Stauden, die dort wuchsen, waren einige sehr große Callas, deren riesige weiße Blüten ihr weißer zu sein schienen als sonst. Die Blüten erinnerten sie an den Altar unten in der Stadt, der bei ihrem letzten Kirchgang mit den gleichen weißen Blüten geschmückt gewesen war. Seit sie denken konnte, war sie am Karfreitag in die alte Kirche gegangen. Die Erinnerung an den geschmückten Altar und die Klänge der Musik, die zur Osterprozession gehörte, lösten in ihr ein Gefühl von Trauer aus, das nichts mit der Gestalt des am Boden liegenden Mannes zu tun zu haben schien.
    Langsam und entschlossen ging sie an den weißen Blüten vorbei zur Rezeption. Niemand war dort. Niemand würde sie hindern, das zu tun, was sie sich vorgenommen hatte.
    Ihrem Gast gehörte das Zimmer vierzehn. Sie nahm den Schlüssel von der Wand, ging an den Callas vorbei zurück, der Fernseher lief, jemand unterhielt sich mit dem Barkeeper. Ohne die Sprechenden zu beachten, ging sie um den Innenhof herum. Ihre Schritte auf dem Terrakottaboden waren leicht. Sie blieb vor dem Zimmer mit der Nummer vierzehn stehen, schloss auf, betrat den Raum und schloss die Tür hinter sich. Mit dem Rücken gegen die Tür gelehnt hielt sie einen Augenblick inne. Jemand hatte, nachdem ihr Gast gegangen war, das Zimmer für die Nacht vorbereitet. Das Bett war zum Schlafen aufgedeckt. Die Tür zum Bad stand offen. Ein weißer Bademantel lag, ordentlich gefaltet, auf dem breiten Rand der Badewanne, nebendem Marmorwaschbecken ein Stapel weißer Handtücher. Kein Rasierzeug außer dem in hellgraue Hüllen verpackten vom Hotel. Sie hatte ihren Gast nicht gesehen, als er angekommen war. Nun war sie sicher, dass er kein Gepäck gehabt hatte. Bevor sie sich von der Tür löste und das Zimmer zu inspizieren begann, dachte sie, dass es merkwürdig sein müsste, ohne Gepäck zu reisen.
    Sie durchsuchte sorgfältig die Schubladen des Schreibtisches und des Nachtschranks neben dem Bett. Sie waren leer. Sie ging zurück an die Tür, lehnte sich noch einmal mit dem Rücken dagegen und begann, das Zimmer eingehend mit den Augen abzusuchen. Erst jetzt wurde ihr klar, dass sie im Grunde gar nicht wusste, wonach sie suchte. Es war für sie unbegreiflich, aber sehr deutlich, dass der Gast ihr ein Versprechen gegeben hatte. Nun, da er nicht wiederkommen würde, könnte dieses Versprechen nur noch durch etwas eingelöst werden, das sich in seinem Zimmer befand.
    Auf dem Gang vor der Zimmertür kamen Schritte näher. Sie hielten vor der Tür nicht an, sondern entfernten sich wieder. Es schien ihr, als wäre die Stille, nachdem das Geräusch der Schritte verklungen war, intensiver geworden. Noch immer suchten ihre Augen das Zimmer ab. Schon spürte sie das Gefühl von Enttäuschung, das sie kannte und hasste und von dem sie wusste, dass es in Verzweiflung enden würde. Sie stand da und versuchte mit aller Kraft, dieses scheußliche Gefühl nicht zuzulassen.
    Dann entdeckte sie eine winzige Erhöhung in den Fliesen des Fußbodens, fast überdeckt von dem Teppich, der vor dem Bett lag. Sie ging darauf zu, schob den Teppich zur Seite, fasste mit schmalen Fingern den Rand einer Fliese und hob sie hoch. Aus der Vertiefung, die jemand unter der Fliese geschaffen hatte, zog sie ein flachgedrücktes Päckchen. Sie versteckte es unter ihrer Schürze, dort, wo sie vor wenigen Stunden die Zeitung verborgen hatte, verließ das Zimmer, schloss die Tür ab und ging mitdem Schlüssel zurück zur Rezeption. Der junge Mann, der dort Dienst hatte, war zurückgekommen, sodass sie ein Gespräch mit ihm anfing und wartete, bis er durch die gläserne Eingangstür Gäste herankommen sah und sich ihnen zuwandte. Sie hängte den Schlüssel zurück an seinen Platz und lief in den Speisesaal.
    An den Tischen saßen die ersten Gäste, die inzwischen aus der Stadt zurückgekommen waren. Es wurden schnell mehr, und Maria-Carmen bediente sie wie immer, freundlich und gleichmütig. Nur einmal, als sich an den Tisch in der äußersten Ecke des

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