Tod in Seide
die Nase binden. Ich hoffe immer noch, morgen dort zu sein. Außerhalb ihres Zuständigkeitsbereiches, Frau Staatsanwältin. An irgendeinem Ort, mit dem es kein Auslieferungsabkommen gibt.«
»Und was ist mit ihrem anderen Liebhaber? Mit Preston Mattox?«
»Warum wollt ihr Frauen immer eine traurige Liebesgeschichte hören? Ja, ich war nicht der Einzige. Deni war noch nicht bereit, sich wieder zu binden, nachdem das mit Lowell geschehen war. Ihr Selbstvertrauen war nach den ersten Monaten, die wir zusammen waren, ins Unermessliche gestiegen.«
Die Geschichte wurde immer klarer. Ich streckte die Finger einer Hand aus, um zu sehen, ob sie noch zitterten. Wrenley beobachtete mich. »Sehr gut, Alex. Viel besser.«
Ich ballte beide Hände zu Fäusten und sah Wrenley an. »Warum wurde sie ermordet? Sie hatte die Bilder, richtig? Hatten Sie Angst, dass Sie alles verlieren würden, wenn Deni Sie verlassen würde?«
»Berichtigung – ein Bild. Wir wollten das Ding ja gemeinsam durchziehen, also ließ ich ihr den Vermeer. Nicht so wertvoll wie der Rembrandt, aber sie liebte die kleine häusliche Szene. Ich bevorzugte das Seestück. Ich rief sie an, um ihr zu sagen, dass ich zu der Überzeugung gekommen war, dass sie Recht hatte. Dass wir die Gemälde dem Museum zurückgeben und die Belohnung kassieren sollten. Ihr Name würde nicht mit dem Skandal in Verbindung gebracht werden und ich würde ihr die Hälfte des Geldes geben. Wir hatten schon andere Geschäfte zusammen gemacht, also machte es vom Geschäftlichen her Sinn. Um ihr zu beweisen, dass ich es ernst meinte, bot ich ihr an, sie zum Mittagessen ins Jean-Georges einzuladen, damit sie mir das Bild – natürlich in irgendetwas eingewickelt – übergeben könne. Sie könnte es in einer Bergdorf-Einkaufstasche bringen und mir mit einem Kuss auf die Wange überreichen. Bald darauf würde sie dann einen Scheck über zweieinhalb Millionen Dollar bekommen.«
»Aber Sie haben sich doch sicher etwas ausgedacht, wie Sie die ganzen fünf Millionen behalten können?«
»Nun, abzüglich einer kleinen Provision für Anthony.«
»Wussten Sie, wo sie das Bild aufbewahrt hatte?«
»Wenn ich das gewusst hätte, hätte ich Sie ja nicht zu einem zweihundert Dollar teuren Mittagessen einladen brauchen, oder? Anthony sollte Deni nach Hause folgen. Er hatte sich Omars Kombi ausgeliehen. Er sollte Deni kidnappen, sie relativ weit wegbringen und ihre Tasche und was sonst noch im Wagen war klauen. Er wusste, dass es um ein Bild ging, aber es hätte so aussehen sollen, als ob er vor allem hinter dem Geld, dem Schmuck und dem Auto her war.«
Ich schloss die Augen und hielt meine rechte Hand vor den Mund, so als ob ich die Worte lieber nicht aussprechen wollte. »Aber Sie wussten doch, dass er ein Vergewaltiger war. Wie konnten Sie ihn in Denis Nähe lassen?«
»Ich wusste nicht, dass Anthony wegen Vergewaltigung verurteilt worden war. Unter Sträflingen ist das keine beliebte Verbrechenskategorie. Er selbst hat sich immer als bewaffneten Räuber beschrieben. Was ja auch stimmte. Und als Autodieb. Stimmte auch. Er hatte nie erwähnt, dass er seine Opfer auch vergewaltigt hat. Er sollte nur den Vermeer klauen. Natürlich würde Deni den Diebstahl nicht der Polizei melden können. Das war natürlich das A und O meines Plans. Sie hätte die ganze Scheidungsangelegenheit mit Lowell aufs Spiel gesetzt, wenn sie zur Polizei gegangen wäre. Kein Richter hätte ihr auch nur einen Cent von Lowells Vermögen oder etwas von seinen Kunstschätzen gegeben, wenn man sie mit geklauten Bildern erwischt hätte. Ein Vermeer, der fast ein Jahrzehnt verschollen war? Wie geht man da auf eine Polizeiwache und sagt, dass man ihn nur so mit sich herumgetragen hat, als man mit einem Freund zum Mittagessen verabredet war? Und dann hätte sie es ja auch noch mit mir zu tun gehabt. Sie hätte Schuldgefühle gehabt, die ich natürlich forciert hätte, und dann hätte sie mir mehr als zweieinhalb Millionen Dollar geschuldet, nur weil sie unachtsam war und unser Bild verloren hatte.«
»Doch Sie würden das Bild ja noch haben. Oder, besser gesagt, beide Bilder.«
»Voilà!«
»An welchem Punkt ging die Sache schief?«
»Denise machte Anthony wütend.« Wrenleys Gleichgültigkeit war wirklich erschreckend. »Es fing schon mal damit an, dass Denise das Gemälde nicht bei sich hatte. Viel Bargeld, genug Schmuck, um mich damit beim Mittagessen zu beeindrucken – laut unserer Abmachung durfte er diese Sachen behalten
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