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Tod Live

Tod Live

Titel: Tod Live Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D.G. Compton
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konnte, und der Gestank im Auto war schlimm. Aber meine größte Sorge war eigentlich, wie entwürdigt sie sich beim Erwachen fühlen würde. Ich rollte die Fenster herab, steuerte rückwärts auf den Weg hinaus und fuhr langsam zur Brücke. Dann stieg ich wieder aus und knallte diesmal die Tür zu. Sie öffnete die Augen. »Hinten liegen Sachen«, sagte ich. »Und das Bad ist eingelassen.«
    Dann entfernte ich mich. Wenn Vincent Großaufnahmen von ihrer Schmach haben wollte, sollte er sie selbst machen.
    Aber sie war bewundernswert gefaßt. Sie verließ den Wagen, Handtuch, Unterzeug und ein Kleid von Rondavels Margaret im Arm. »Sie denken auch an alles«, sagte sie. »Es wird wahrscheinlich nicht passen, aber wenigstens hat’s ein tolles Etikett aus New York.«
    Nach diesem kleinen Scherz fiel es mir nicht schwer, umzukehren und ihr über den Zaun zu helfen. Auf der anderen Seite glitt sie die weiche, grüne Wiese hinab. Ich versuchte mich zu erinnern, wann sie endgültig ihre Motorradbrille abgelegt hatte; wenn die Psychiater recht hatten, bedeutete das eine Wende in unserer Beziehung. Sie breitete das Kleid im Gras aus, legte Holzschuhe und Socken und Umhang ab, und ging zum Bachufer. Das Wasser mußte kalt sein, doch sie watete hinein, hockte sich hin. Ich hätte sie in Ruhe lassen sollen, damit sie sich allein waschen konnte. Aber die Szene hatte etwas Malerisches, wie von einem alten Meister gestaltet, so daß ich nicht widerstehen konnte. Die Weiden und die bewachsenen grauen Steine der steilen, kleinen Brücke und der Umhang, der im Wasser rings um sie schwamm. Außerdem war unsere Beziehung nie von altmodischen Beschränkungen bestimmt gewesen. Fortzublicken wäre nun ein Verrat gewesen. Wir standen uns zu nahe, wußten zuviel voneinander. Sie wußte, daß ich da war, und sie zog ohne Umschweife ihren Umhang aus und ließ ihn in der Strömung forttreiben. Der Stoff fing sich im Schilf unter der Brücke, wurde dann fortgezerrt und verschwand unter dem niedrigen Steinbogen. Ihre Unterkleidung folgte… Nun, der Körper einer vierundvierzigjährigen Frau gilt eigentlich nicht als schön. Um so weniger der Körper einer zeitweise gelähmten, halluzinierenden Vierundvierzigjährigen, die ein Todessyndrom hat. Tatsachen sind schließlich Tatsachen. So will ich hier nur ein für allemal sagen, daß in jenem Augenblick und an jenem Ort der Anblick Katherine Mortenhoes, wie sie ihre Schenkel, ihre Arme, ihre Schultern, ihre Brüste wusch, etwas Stimmiges für mich hatte. Sie war vielleicht nicht schön, aber ihr Aussehen stimmte. Was nach meiner Überzeugung eine ganz gute Definition für Schönheit ist.
     
    Das Wasser hatte einen kalten Biß, reinigte sie in seiner Kälte. Ihr Zittern war herrlich, kein Schüttelfrost, sondern die unschuldige Reaktion ihres Körpers auf das wirbelnde, sonnenerhellte Wasser. Während sie sich wusch, bemerkte sie, daß ihre Brustwarzen in der Kälte stark angeschwollen waren. Sie verbarg sie nicht vor dem seltsamen, jungen Mann, der sich über den Zaun lehnte und ihr zusah. Er war mehr als nur ein Mann, und sie war nicht nur eine Frau. Sie beide waren Menschen – und ganz plötzlich fand sie das irgendwie großartig. Es wäre eine Beleidigung gewesen, sich abzuwenden. Also blieb sie im Wasser, bis sie die Kälte nicht mehr aushielt, stieg dann wieder ans Ufer und zog sich an. Anschließend frühstückten sie im Gras neben dem Wagen.
    Es war eine seltsame Mahlzeit, in einem Tischtuch von Coryton Rondavels Party gestohlen: Roggenbrot, Räucherlachs, Rindfleisch, Pate, eine Flasche Wein, Pfirsiche. Als sie fertig waren, blieb noch genug für das Mittagessen übrig.
    »Wieviel Geld haben Sie noch?« fragte er.
    Sie zog ihre Handtasche aus dem Rucksack im Wagen und zählte. Nach der gestrigen Cafémahlzeit hatte sie nur noch sieben Pfund sechzig. »Egal«, sagte er, »ich habe genug, daß wir durchkommen.«
    »Haben Sie auch Geld gestohlen?«
    Er zögerte, schüttelte dann den Kopf. »War wohl dumm von mir, aber der Gedanke an Geld kam mir irgendwie ungehörig vor. Außerdem wußte ich nicht, wo ich hätte suchen müssen.«
    »Dann haben Sie also eigenes Geld. Ein Niemand sind Sie, haben Sie gesagt. Haben Niemande Geld?«
    »Lassen wir das Thema.«
    »Aber, Rod…«
    »Ich habe gesagt, wir wollen das Thema lassen.«
    Sie sah ihn an und schwieg. Sie lächelte und zuckte die Achseln, doch die Zurückweisung tat weh, und er wußte es. »Katherine…« Er wandte sich ab. »Katherine, Sie

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