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Tod Live

Tod Live

Titel: Tod Live Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D.G. Compton
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Vincent sah den anderen von der Seite an. In seinem jetzigen Zustand war der gute Doktor vielleicht sogar eines solchen Schrittes fähig. Aber er würde es nicht wollen und ging bestimmt auf einen bequemen Kompromiß ein.
    »Wie lange hat sie Ihrer Meinung nach noch?« fragte Vincent sehr sanft.
    »Das läßt sich unmöglich sagen. Schneeballeffekt. Sie glaubt, der Effekt dreht sie nun durch die Mangel – und dann wird das natürlich auch wahr.«
    »Heute? Morgen? Bestimmt doch länger?«
    »Wahrscheinlich.«
    »Dann machen wir folgendes. Sie ziehen hier ein und behalten die Dinge im Auge. Ich sage Dawlish, er soll Sie voll unterstützen. Wir halten auf Abruf einen Helikopter bereit, und sobald Sie annehmen, daß sie ernsthaft in Gefahr ist, sausen wir rüber. Fliegender Arzt, Rettung in letzter Sekunde, tolle Story. Was sagen Sie dazu?«
    Dr. Mason schwieg. Vincent kannte sein Gegenüber, erkannte Zustimmung, Kapitulation, Widerwillen vor sich selbst. Kämpfer waren eine aussterbende Rasse.
    Katherine Mortenhoe war plötzlich nicht mehr auf dem Schirm. Die Kamera befand sich in Bewegung. Undeutlich erkennbare, teure Möbel huschten vorbei, eine aufschwingende Tür, ein heller Korridor. »Was geht da vor?« fragte Dr. Mason.
    Vincent freute sich über die Ablenkung. »Roddie hat sie schlafen lassen. Wahrscheinlich muß er mal pinkeln.«
    »Müssen wir dabei zusehen?«
    »Sagen Sie bloß nicht, Sie sind prüde, Doktor.«
    Das Bild fuhr auf einen Liftknopf zu, ein Daumen, aufgleitende Türen, ein Schaltbrett mit Knöpfen, die längere, beständige Nahaufnahme einer Nußbaumholzwand. Dann die Türen, die wieder aufgingen, ein anderer heller Flur, ein mehrfaches Spiegelbild, wie Roddie vorbeiging, stehenblieb und sich offenbar ungläubig anstarrte. Weiter den Korridor entlang. Türgriffe ausprobierend, in Schlafzimmer schauend.
    »Er ist offenbar allein«, sagte Dr. Mason. »Warum sagt er uns nicht, was er da macht?«
    »Wir haben verabredet, daß das selten das Risiko lohnt. Außerdem ist es nach ein Uhr. Er rechnet doch kaum damit, daß außer dem Techniker noch jemand am Schirm sitzt.«
    Auf dem Bild nun das Schlafzimmer einer Frau, zerbrechliche Möbel, das Hochreißen von Bettwäsche, das Öffnen und Schließen von Schubladen.
    »Mr. Ferriman, eine Dame möchte Sie sprechen.«
    »Eine Dame? Um diese Zeit? Wer hat sie raufgelassen?«
    »Sie ist Mr. Rodericks Frau, Sir. Seine geschiedene Frau.«
    »Tracey…? Gut, ich komme.« Er ließ Dr. Mason vor dem Schirm zurück, der fasziniert die Durchsuchung des Schlafzimmers verfolgte. Das war eben Fernsehen, da kam man schnell auf andere Gedanken.
    Dawlish hatte Tracey in ein Konferenzzimmer geführt. Obwohl sie noch nicht lange gewartet haben konnte, lagen bereits zwei hastig ausgedrückte Zigaretten im Aschenbecher. Sie zündete sich gerade die dritte an, als Vincent eintrat.
    »Ich habe versucht, Sie anzurufen, aber man hat mich nicht verbunden. Da bin ich selbst gekommen.«
    »Die Leute haben ihre Anweisungen, Anrufe von draußen werden…«
    »Ich hätte etwas anderes erwartet.«
    Er breitete entschuldigend die Hände aus und fragte sich, warum es manchen geschiedenen Frauen so schwerfiel, die Vergangenheit abzuschütteln. »Sie haben die Sendung gesehen?« fragte er.
    »Ich habe die Sendung gesehen.«
    Sie starrte ihn durch den Zigarettenrauch an, und er lächelte ermutigend. Wenn er sich nicht irrte, bekam er jetzt mitgeteilt, daß Roddie, bevor er Vincent Ferriman kennenlernte, ein empfindsamer, anständiger Mensch gewesen war.
    »Sie wissen doch, daß Roddie ein empfindsamer, anständiger Mensch war, ehe er Sie kennenlernte!«
    »Tracey, meine Liebe, das haben wir doch schon öfter durchgekaut.«
    »Und wir werden’s noch einmal durchkauen; nur noch einmal.«
    »Es ist spät, Tracey. Könnten wir nicht…«
    »Als ob ich nicht wüßte, daß es zu spät ist! Verdammt zu spät… Sie haben ihn vernichtet, Vincent. Sie haben ihn zerkaut, ihn wieder ausgespuckt, ihn vernichtet.«
    »Sie haben ein Recht auf Ihre Privatmeinung. Ich glaube aber nicht, daß ich Ihnen zustimmen kann.«
    »Vielleicht bildet er sich ein, er kämpft noch. Wußten Sie, daß er mich besucht hat?«
    »Wir hatten eine Aufzeichnung davon.« Er fühlte sich schuldbewußt, daß er so grob zurückgeschlagen hatte. »Ich… Ich hab’s nicht gesehen. Und es war kein Ton dabei.«
    »Das tut mir leid. Ich wünschte, Sie hätten sich’s angesehen, Sie hätten alles hören können. Dann hätten Sie ihn

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