Tod Live
bereits einige auf. »Wir mögen keine Randtypen.«
Ich wollte nicht mit ihr streiten, nahm Katherines Arm und begann mich zu entfernen.
»Wenn’s aber nur eine Nacht ist«, sagte die Frau, »schicken wir niemanden weg, auch wenn’s Randler sind.«
Ich sah Katherine an, und sie nickte. Sie versuchte ein Lachen zu unterdrücken.
»Da drinnen am mittleren Pfeiler.« Sie hob ihr Strickzeug. »Ist ein bißchen undicht – beten Sie um gutes Wetter. Heiße Baker, Missis.«
Ich starrte in die Dunkelheit. »Vielen Dank, Mrs. Baker.«
»Die letzten müssen den Strand sauberhalten. Das seid ihr beide. Und Toilette gibt’s oben an der Promenade. Kein offenes Feuer nach Einbruch der Dunkelheit, keine Haustiere, kein Herumgrölen. Und keine Orgien.«
Und hinterlassen Sie bitte das Bad so sauber, wie Sie es vorzufinden wünschen… Ich fragte mich, welches Schicksal Mrs. Baker um die Pension gebracht hatte, die sie so offenkundig verdiente. Vermutlich ein betrunkener und zügelloser Mr. Baker. »Klingt alles ganz vernünftig«, sagte ich. »Meinen Sie nicht auch, Katherine?«
Aber Katherine war bereits zum Mittelpfeiler gegangen und betastete dort die Kiesel, prüfte das Bett. »Bestens, Mrs. Baker. Vielen Dank. Wir gehen nur unser Gepäck holen, und dann…«
»Ich habe einen Besen. Ihr seid ja zu zweit, und die meiste Arbeit gibt’s bei Ebbe.«
Wir dankten ihr nochmals und zogen ab. Sie blieb mit klickenden Stricknadeln stehen und sah uns nach. Solange wir ihre Position anerkannten, würde sie uns mögen. Sie war ein richtiger Fund – und genau das brauchte Katherine. Mit meinem egoistischen Geständnisversuch hatte ich ihr fast alles verdorben, den Strand, das Meer, die dumme Freiheit, die sie für uns ersonnen hatte.
Einige hundert Meter weiter stürzten wir uns in den Windschutz einer Buhne und begannen zu lachen. Wir ruhten uns aus und wiederholten die komischsten Sätze von Mrs. Baker und lachten lauthals. Dann rappelten wir uns auf und machten uns auf den Rückweg.
Im Schwimmbecken zog noch immer der Mann seine Bahn, doch sein Freund hatte das Gebrüll aufgegeben und lehnte an einem der Sprungbretter. Weiter hinten hatte die Kasperlevorstellung begonnen, und Katherine zog mich hinüber.
Es war alles schrecklich volkstümlich. Der Kasper hämmerte auf einem Polizisten herum und kreischte wie ein verrückter Diktator. Im Wind war nicht zu verstehen, was er brüllte, doch seine Absicht war auch so erkennbar und unerklärlich komisch. Wir sahen uns an und lächelten. Als sich gleich darauf der Kopf des Polizisten löste und über die Bühne rollte, lachten wir laut auf. Die drei Kinder drehten sich um und starrten uns an. Da mußten wir noch mehr lachen – jetzt über ihre feierlichen Gesichter und vielleicht auch wieder über Mrs. Baker.
Im nächsten Augenblick fegte ein besonders starker Windstoß heran. Das ganze Kasperletheater begann zu wanken und stürzte um, wurde zu einem wirren Durcheinander aus Stöcken und knatterndem Leinenstoff und wirbelnden Beinen und Armen des Kasperlemannes. Die Kinder, nun endlich interessiert, warteten ab, was geschehen würde.
Natürlich eilten wir dem Mann zu Hilfe, dessen Flüche zum Glück gedämpft wurden. Schließlich tauchte er entrüstet in dem Durcheinander auf. »Sind Sie verletzt?« fragte ich und half ihm auf. Er trug einen sauberen, altmodischen Anzug, einen Doppelreiher mit rot-weiß gestreifter Fliege. Obwohl er sehr alt war, wirkte sein Gesicht rings um das eifrige, berufsmäßige Lächeln überraschend glatt und rosa.
»Ist wirklich alles in Ordnung?« fragte Katherine.
»Nicht der erste Einsturz, Miss, und bestimmt auch nicht der letzte.« Er wühlte in dem Durcheinander herum und holte eine Handvoll Puppen heraus -Kasperle in verschiedenen Kostümen, dazu seine Freundin, einen Polizisten, einen Richter, einen Henker, ein hellgrünes Krokodil. Der Mann streckte mir die Hand hin. »Tucker heiße ich. Tommy, wie mich alle nennen. Eine saubere, schöne Vorführung. Seit 1920, und noch immer im Geschäft. Vielen Dank.«
Offenbar wollte er nicht, daß wir zusahen, wie er sein Theater wieder zusammenbaute. Wir gaben ihm die Hand und zogen weiter.
»Ich hoffe, er hat das nächstemal ein größeres Publikum«, sagte Katherine.
»Wahrscheinlich bekommt er eine Subvention von der Volkskunstgesellschaft.« Ich hatte einmal einen Report über Unterhaltungskünstler alten Stils gemacht. »Da ist es wohl nicht so wichtig, wie groß sein Publikum
Weitere Kostenlose Bücher