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Tod Live

Tod Live

Titel: Tod Live Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D.G. Compton
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liebsten geweint hätte. Es gab Dinge in ihm, die sie nicht kannte. Die Zeit war so kurz. Sie brauchte ihn dringend, aber noch dringender mußte sie ihn verstehen. Sie mußte wenigstens einen Menschen ganz verstehen, ehe sie starb.
    Schließlich stand er auf, murmelte eine Entschuldigung, holte eine Taschenlampe aus seinem Rucksack und entfernte sich über den Strand. Das Meer zischte und gluckste. Sie blickte ihm nach.
    Der alte Schausteller schien nicht zu merken, daß Rod gegangen war. Er erzählte eine Geschichte über einen Befreiungskünstler, der auf dem Kopfsteinpflaster vor dem Londoner Tower in Ketten gewickelt und in ein Sackleinen gesteckt worden war. Ketten kannte sie, aber ›Sackleinen‹ war ein Wort aus der Zeit vor ihrer Geburt.

    Vincents Abgesandter erwartete mich unter einer Laterne. Er reichte mir einen dicken, braunen NTV-Umschlag. Die Leichtigkeit, mit der Vincent Banknoten verteilte, widerte mich an. Ich öffnete den Umschlag, nahm zwei Fünfer heraus und gab den Rest zurück. Katherine war das bestimmt gleichgültig. Sie hatte andere Sorgen als die Frage, woher das Geld kam oder wie es ausgegeben wurde.
    »Sind Sie sicher, daß das reicht?« Ich sagte, ich sei sicher. Er steckte das restliche Geld in einen Aktenkoffer. »Mr. Ferriman läßt Ihnen ausrichten, Sie arbeiten großartig. Und Sie sollen so weitermachen.«
    Ich starrte ihn an. Vincent Ferrimans Belobigung war mir etwa so willkommen wie eine Typhusinfektion. »Und er hat für morgen alles geregelt. Er hat ein Stück weiter unten an der Küste einen Wohnwagen gemietet. Das Ding sieht ziemlich zerbeult aus, und Sie können es ja zufällig finden. So, wie’s mit der Dame geht, stellt sie nicht zu viele Fragen.«
    Er gab mir ein Stück Papier mit der Anschrift. So wie es mit der Dame ging, stand Vincent ein ziemlich großer Verlust bevor. Er hatte für sechsundzwanzig Tage bezahlt… Vielleicht war deshalb Mason im Monitorraum gewesen. Vielleicht gedachte Vincent den netten Arzt zu verklagen. Dreihunderttausend Pfund für drei oder vier Halbstundensendungen war zuviel Geld.
    Ich schob den Zettel mit der Anschrift in meine Hüfttasche. »Danken Sie Mr. Ferriman. Nein – das kann ich ihm ja direkt sagen. Sagen Sie ihm, Sie hätten mich gefunden, und ich sähe gut aus, und…«
    »Das kann ich nicht sagen. Ehrlich, Sie sehen schrecklich aus.«
    Ich ließ ihn an seinem Laternenmast stehen. Es wurde Zeit für ihn zu lernen, daß der Mann mit den Fernsehaugen nichts weniger hören wollte als die Wahrheit. Ich kehrte nicht sofort zu Katherine zurück, sondern wanderte, die Fünfer in der Hand, in die nächste Bar. Ich wollte mich nicht betrinken; auf die rituelle, männliche Art schob ich nur das Nachhausekommen hinaus.
    Manche Menschen sind fasziniert von Zufallsentscheidungen. Von der Geschichte, die anders verlaufen wäre, wenn Soundso nicht in einem scheinbar unwichtigen Augenblick stehengeblieben wäre und in der Nase gebohrt hätte. Mich langweilen solche Typen. Trotzdem kommen Zufallsentscheidungen und unwichtige Orte manchmal auf geradezu unglaubliche Weise zusammen. An jenem besonderen Abend ereignete sich der unwichtige Augenblick um halb neun, und der unwichtige Ort war eine unwichtige Bar mit einem unwichtigen Fernseher.
    Und dieser Fernseher zeigte mir Katherine Mortenhoe in ihrer sensationellen, einzigartigen, unwiederbringlichen Schicksals-Sendung.
    Ich verließ die Bar womöglich noch nüchterner als zuvor. Ich war nüchterner und klüger. Und ich fröstelte. Wissen Sie, Schönheit existiert nämlich nicht im Auge des Betrachters, ebensowenig wie Mitleid oder Liebe – oder schlichter: menschlicher Anstand. Dies sind keine Dinge des Auges, sondern des Geistes hinter dem Auge. Ich hatte, mein Geist hatte Katherine Mortenhoe in Liebe gesehen. Hatte Schönheit gesehen. Doch meine Augen hatten nur Katherine Mortenhoe gesehen. Hatten Katherine Mortenhoe gesehen. Punktum.
    Ich konnte es Vincent nicht mal übelnehmen. Er hatte meine Aufnahmen auf Schockwirkung getrimmt. Er hatte die Schwerpunkte nicht verändert. Er hatte die Sache nicht einmal durch Tränendrüsenkommentare oder Musikunterlegung entwertet. Der Soundtrack stammte von mir, und die Bildfolge ebenfalls. Dies war Katherine Mortenhoe, wie meine Augen sie gesehen hatten.
    Und meine Augen hatten ein sabberndes, bebendes Wrack gesehen. Meine Augen hatten eine plumpe, nicht mehr junge Frau gesehen, die unpassend albern an einem Strand herumhüpfte. Meine Augen hatten ihre

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