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Tod sei Dank: Roman (German Edition)

Tod sei Dank: Roman (German Edition)

Titel: Tod sei Dank: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helen FitzGerald
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er ihr, dass das Ganze ein Missverständnis sei: Mhairis Mutter habe nach eigenem Bekunden eine Einladung an Georgie in die Schultasche ihrer Tochter gesteckt. »Sei froh, dass sie die nicht gefunden hat«, fügte er hinzu. »Du kannst sowieso nicht hingehen, weil ich uns nämlich Karten für die Schlittenbahn besorgt habe!« Aber meistens hatte Will das Gefühl, auf Georgies Sorgen nicht angemessen reagieren zu können. Sie schienen in ihn einzusickern, und sie ließen ihn frösteln.
    In der vierten Klasse der Mittelschule musste auch Georgie einen Aufsatz über den Menschen schreiben, den sie am meisten bewunderte. Sie wählte Gandhi. Will überraschte das nicht. Falls sie jemals einen Aufsatz über ihn schreiben würde, wäre er der Letzte, der ihn lesen wollte.

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Kapitel fünf
    Zumindest ich habe ihm eine Nachricht hinterlassen:
Papa,
sei nicht sauer auf mich. Ich bin sechzehn und kann jetzt tun und lassen, was ich will. Ich habe mich auf den Weg gemacht, um Mum zu suchen.
G
    Ja gut, ich bin eine Woche vor meiner Abschlussprüfung getürmt, aber was macht das für einen Unterschied? Ich war sowieso zu doof für die Schule und hatte kein anderes Ziel im Leben, als das, weswegen ich abgehauen war. Und es war seine Schuld. Er hatte mich mit seiner tranigen Art in die Flucht geschlagen. Wann hatte er jemals etwas auf die Beine gestellt? Irgendetwas erreicht? Wenn ich nur noch ein einziges weiteres Mal von der Schule nach Hause gekommen wäre und ihn Chips essend und Time to Say Goodbye hörend vorgefunden hätte, ich hätte ihn umgebracht. Und wenn ich nur noch ein einziges weiteres Mal mit ihm essen gegangen wäre und hätte warten müssen, während er über der Speisekarte ins Grübeln geriet ( Was nimmst du? Kannst du mir was empfehlen? Können wir uns das teilen? Kannst du das für mich bestellen?), hätte ich ihn gleich noch mal umgebracht. Nimm das hier, ja? Er konnte sich nicht mal entscheiden, wohin er in den Urlaub fahren wollte. Jeden Sommer mussten wir uns eine Woche vor den Ferien um den Küchentisch setzen und ein dämliches Spiel spielen. Er legte seine Hand auf einen Fünfpfundschein und fragte: »Bessie oben oder unten?« Wir wechselten uns jedes Jahr ab. »Unten!«, tippte Kay mit echter Begeisterung. Und wenn sie recht hatte, wenn das Gesicht der Queen nach unten zeigte, dann durfte sie entscheiden: zwischen einem Campingurlaub auf Arran und einem Ferienhaus auf Scheiß-Arran! Wir sind nie woanders hingefahren, niemals. Kay und ich waren die Einzigen in unserem Jahrgang, die noch nie ein breiteres Gewässer überquert hatten, als die paar Kilometer zwischen Ardrossan und Brodick.
    Sie hat er auch in die Flucht geschlagen. Ich verstehe total, wie sie sich gefühlt haben muss: dermaßen erstickt, frustriert und wütend, dass sie nur noch den Wunsch hatte, über die Hügel zu laufen und »Ich bin frei!« zu schreien.
    Ich wusste, dass er wütend auf mich sein würde. Er war immer wütend auf mich gewesen. Er hätte mich angeschrien: »Warum? Warum ich? Was habe ich dir angetan? Habe ich nicht alles für euch gegeben?« Er hätte sich gefragt, warum ich mich gerade jetzt zum Gehen entschieden hätte. Meinen Schulabschluss in die Tonne zu treten, nachdem er alles dafür getan hatte, dass wir in dieser anständigen Gegend wohnen und in die anständigen Schulen gehen konnten, die es hier gab … Kay hätte er gefragt: »War ich denn nicht gut zu ihr? Habe ich nicht jede freie Minute mit ihr verbracht? Sie zu Freundschaften ermutigt, ihr zugehört, wenn sie sich aussprechen musste, ihre Wutanfälle ertragen, ihre Wut auf die ganze Welt?«
    Die arme Kay. Ich kann mir genau vorstellen, wie sie ihm gesagt hätte, dass es nicht seine Schuld sei. Sie hätte ihm eine Tasse Tee gekocht, ihm den Arm um die Schulter gelegt und ihm gesagt, dass sie ihn lieb habe und dass auch ich ihn auf meine Weise lieb habe, und dass ich vielleicht gar keine andere Wahl gehabt hätte, als das zu tun, was ich getan hatte. Dass er es mich vielleicht einfach tun lassen sollte.
    Er kapierte es nicht. Er machte sich Sorgen, dass ich mir schaden könne. Ich trank damals schon seit ein paar Jahren, vielleicht habe ich die Suchtstruktur meiner drogenabhängigen Mutter geerbt. Er glaubte vermutlich, dass ich mir die Birne zusaufen und jemanden umbringen würde – mich oder jemand anderen. Also düste er zum Hauptbahnhof. Das ist das Problem, wenn du eine fremde Kreditkarte benutzt: Man kann dich ruck, zuck aufspüren. Ein paar

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