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Tod sei Dank: Roman (German Edition)

Tod sei Dank: Roman (German Edition)

Titel: Tod sei Dank: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helen FitzGerald
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von allen verstrichen. Heath saß in seiner Zelle und warf den fünften Entwurf eines Briefs an den Bewährungsausschuss in den Müll. Er legte sich aufs Bett, um das Foto anzuschauen, das er seit Jahren so sehr mochte: Cynthia, auf einer Wiese liegend, den Ellbogen hinter dem Kopf. Sie lächelte ihn nicht an, aber sie liebte ihn. »Ich weiß, dass du zurückkommen wirst«, sagte er zu sich selbst. »Ich weiß es.«
    »Sie kennen eine Georgina Marion?«, fragte ein Wärter durch das Guckloch in der Zellentür.
    Heath brauchte ein paar Sekunden, um den Namen der Tochter seiner Liebsten zu erkennen.
    »Ja.«
    »Sie möchte Sie besuchen. Ich setze sie dann mal auf die Liste.«

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Kapitel sieben
    Meine Mutter zu finden, war nicht meine einzige Mission. Ihre Liebesgeschichte hielt mich am Leben. Ich wusste, dass sie mit ihrer großen Liebe durchgebrannt war. Eines Nachmittags, ich war gerade neun Jahre alt, hatte Janet im Supermarkt etwas in dieser Richtung durchblicken lassen.
    »Hast du jemals wieder etwas von meiner Mutter gehört?«, fragte ich sie, als sie gerade ihre Zucchini abwog. Mein Vater stand an der Feinkosttheke, und ich fühlte mich unbeobachtet. Ich glaube, Janet war ein wenig überrascht. Ich hätte wohl erst einmal Hallo sagen sollen.
    »Nein«, sagte sie.
    »Wo ist sie hingegangen?«
    »Ich weiß es nicht, Schätzchen«, sagte sie. »Mit der Liebe ist das so eine Sache.«
    »Stimmt«, sagte ich, ohne zu wissen, was sie meinte, aber in der Hoffnung, dass sie mir mehr erzählen würde. »Glaubst du, dass sie immer noch verliebt ist?«
    »Keine Ahnung. Dieser Heath Jones ist ein komischer Typ. Ist mir ein Rätsel, was sie an dem so toll findet. Aber sie hat es nie geschafft, von ihm loszukommen.«
    Seitdem fantasierte ich mir alles mögliche über die Liebe meiner Mutter zu einem komischen Typen namens Heath Jones zusammen. Sie war nie von ihm losgekommen. Wie romantisch. Ich wollte mit eigenen Augen Zeugin derartiger Aufopferung und Liebe werden. Und dann wollte ich so etwas auch für mich finden. Junge trifft Mädchen. Junge verliert Mädchen. Junge kriegt Mädchen. Meiner Mutter war das passiert. Sie hatte alles dafür geopfert. Genau das wollte ich auch.
    Vier Stunden sind eine lange Zeit. Vor allem, wenn deine Füße zur Größe von Basketbällen angeschwollen sind, wenn du frierst und außer Atem bist und darauf wartest, dass die Toilette frei wird und du dich in die verdreckte Kloschüssel übergeben kannst. Ich brauchte dringend frische Luft, aber als ich schwankend aus dem Zug stieg und zum Taxistand ging, wurde meine Übelkeit nur noch stärker. Der Taxifahrer war über meine körperliche Verfassung so besorgt, dass er auf dem Weg zum Gefängnis dreimal anhielt.
    Das Staatsgefängnis in Manchester, auch unter dem Namen Strangeways bekannt, war Schauplatz der schnellsten Erhängung der Menschheitsgeschichte – nur siebeneinhalb Sekunden von der Zelle bis zum Exitus –, und die Heimstatt der beiden bekanntesten britischen Serienmörder: der Moormörder Ian Brady und »Dr. Tod«, der mordende Arzt Harold Shipman. Ich hatte alles gelesen, was es über diesen Ort zu lesen gab, und ich hatte mir vorgestellt, wie meine Mum dort ihren Liebsten besuchte, wie sie ihre Finger durch die Gitterstäbe streckte, um die seinen zu berühren, und »Ich warte auf dich, Liebling« sagte. Ich hatte mir ausgemalt, wie sie ihm Briefe mit geheimen Botschaften schrieb, Briefe mit Geheimzeichen und Codewörtern – »Wie g4ht es dir?!« bedeutete zum Beispiel: »Bei meinem nächsten Besuch schmuggle ich belgische Schokolade ins Gefängnis.«
    Es war nicht schwierig gewesen, Heath ausfindig zu machen. Ich hatte bloß Janet fragen müssen. Mein Vater konnte sie nicht ausstehen – weil sie zu viel redete, behauptete er, aber ich wusste: Es lag daran, dass sie früher die beste Freundin meiner Mutter gewesen war. Er hatte jeden, der auf der Seite meiner Mutter stand, auf die schwarze Liste gesetzt.
    »Klar weiß ich, wo der ist«, hatte Janet gesagt. »Er sitzt seit Jahren im Knast. Die Zeitungen haben die Sache mächtig ausgewalzt.«
    Sie googelte seinen Namen, und ich sah ihr dabei über die Schulter. Binnen Sekunden starrte ich auf die große, kantige Gestalt von Heath Jones. Das war also der Geliebte meiner Mutter. Das Foto war aus einiger Entfernung aufgenommen worden; er kam gerade aus dem Gerichtssaal. Es war schwierig, seine Gesichtszüge genau zu erkennen, aber ich sah doch, dass er attraktiv war – auf

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