Tod sei Dank: Roman (German Edition)
bestimmt »Danke, Maxie!« gesagt, sich den Stöpsel aus dem unversehrten Arm gerupft und war Bananen essend shoppen gegangen. Ich wünschte, die hätten mich für das Foto gecastet. Ich hätte ihnen erst ein Victory-Zeichen, dann den Stinkefinger und zum Schluss das Loser-Zeichen gezeigt und dabei so mürrisch geguckt, als ob ich sagen wollte: »Die lügen alle! Es ist einfach nur schrecklich. Ich hasse es, und Ihnen wird es genauso gehen!«
Manche Leute behaupten, Langeweile würde die Kreativität anregen: Kränkliche Kinder würden später mal bei oscargekrönten Filmen Regie führen oder Bücher schreiben, die mit dem Booker-Preis ausgezeichnet werden. Aber Bücherschreiben und Regieführen waren mir scheißegal. Ich wollte den Schnapsladen leer kaufen und danach in den Boho-Club gehen. Ich wollte endlich mal wieder vögeln. Ob Alfred für immer meine große Liebe bleiben würde? Mach das, Alfred, machs mir genau da, o ja.
Es ist überhaupt nicht sexy, von jemandem abhängig zu sein. Wenn ich Alfred rauszöge, würde ich das schwer bereuen. Also tat ich es nicht, sondern sackte stattdessen in mich zusammen, viermal die Woche, immer vier Stunden lang. Ich war dankbar für Alfreds Existenz, obwohl ich schon seinen Anblick hasste. Wahrscheinlich ist es genau das, was die meisten Menschen unter Ehe verstehen.
Ich versuchte, Alfred so wenig wie möglich anzusehen. Lieber ließ ich meinen Blick durch den Raum schweifen, in dem jede Menge Leute herumsaßen. Als da wären:
EVIE. Sie ist zweiundfünfzig Jahre alt. Zu alt für ihren Namen. Sie hat kurzes rotes Haar, das ihr vermutlich noch aus ihrer Zeit als Kunstlehrerin anhängt. Ihre Enkelin hat ihr einen tragbaren DVD – Spieler geschenkt, und auf dem schaut sie sich BBC – Verfilmungen von Catherine-Cookson-Romanen an. Ich kann das monotone, trübselige Regenprasseln sogar durch ihren Kopfhörer hören.
JIMMY. Er ist vierzig und hat gerüchteweise gehört, dass er der Nächste ist, der eine Spenderniere bekommen soll. Er streichelt sein Handy wie eine werdende Mutter ihren prallen, neun Monate alten Schwangerschaftsbauch.
PEGGY. Sie ist sehr alt. Ich weiß nicht, wie alt sie ist. Dass sie hier ist, scheint ihr keine Sorgen zu machen. Obwohl sie weiß, dass sie nie eine neue Niere bekommen wird. Ich nehme an, dass sie zu Hause genauso still dasitzt. Hier kann sie sich wenigstens mit Samuel unterhalten.
Der ist ungefähr achtunddreißig und wird stinksauer, wenn andere unerklärlicherweise vor ihm an die Reihe kommen. Dann schreit er die Schwestern an und sagt Sachen wie: Welches System steckt dahinter? Wie kann das sein? Hat er seine Beziehungen spielen lassen? Hat er dafür bezahlt?
Gemeint ist Ron, neunundvierzig. Der ist sehr reich. Kennt alle möglichen Leute. Wie konnte es sein, dass er nach nur drei Monaten überwiesen wurde und man ihm den roten Klumpen des Lebens einpflanzte?
Und dann ist da natürlich noch Kay, die neben mir sitzt, ihre Bücher liest, penibel ihre Anmerkungen macht – voller Optimismus, eines Tages tatsächlich ihren Schulabschluss zu machen, ihre Ausbildung zu beenden und Physiotherapeutin zu werden. Als ob es dazu jemals kommen würde.
»Georgie, wie geht’s?« Mit der Zuverlässigkeit eines Uhrwerks war mein Vater eingetroffen. Ein Blick in seine Augen rief bei mir dieselben Gefühle hervor wie ein Blick auf Alfred. Also ließ ich es lieber sein.
»Nichts los hier«, sagte ich und starrte ausdruckslos über seine Schulter.
»Ich habe dir deinen iPod mitgebracht. Sind ein paar neue Stücke drauf.« Er stockte verlegen, setzte sich und zappelte unruhig herum. »Georgie, ich werde für ein paar Tage wegfahren.«
»Ach ja?« Ich glaubte ihm nicht. Manchmal ließ er sich zu hochtrabenden Ankündigungen hinreißen, aus denen dann nie etwas wurde ( Am Wochenende fahren wir nach Irland .. . Wir sind nie hingefahren … sind nie weiter als bis Arran gekommen … Ich muss diesen Job kündigen .. . Nichts. Ich werde einen Horrorfilm schreiben, gleich nächste Woche fange ich damit an … Ist nie passiert … Lasst uns am Donnerstag Badminton spielen gehen, die ganze Familie .. . Aber sicher doch).
Er machte eine Pause. »Ich will deine Mutter suchen.«
Kann sein, dass mein Gesicht kurz gezuckt hat, aber binnen weniger Sekunden hatte meine übliche Mir-doch-egal-Miene wieder die Oberhand gewonnen. Als ob der jemals seinen Hintern hochbekommen und etwas Nützliches tun würde. Als ob ich ihn nicht allzu gut kennen würde. Nach dem
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