Tod sei Dank: Roman (German Edition)
dieser Frau zu kommen. Na ja, sein Plan war nicht gerade narrensicher. Vielleicht fand er sie nicht. Vielleicht war sie tot. Falls sie lebte, zeigte sie sich vielleicht widerspenstig. Vielleicht war auch er derjenige, der nicht mit ihr klarkommen würde. Nein! Natürlich würde er mit ihr klarkommen. Für die Mädchen hatte er schon immer alles getan, da würde er das hier auch noch schaffen. Von dem Augenblick an, als er die Diagnose erfahren hatte, wusste Will, dass er sich mit Cynthia zusammenraufen würde, und er weigerte sich, etwas anderes auch nur in Betracht zu ziehen.
Dass beide Eltern die beiden Kinder retteten, war die beste Option – und ein Ziel, das es rückhaltlos anzustreben galt, ehe man andere Möglichkeiten auch nur in Erwägung zog.
Vor einer Woche hatte Will mit dem Nierenspezialisten über die Labortests gesprochen: »Jetzt noch nicht«, hatte er ihm gesagt. Der Arzt – ein Mr Jamieson, in dessen Praxis Van Morrison in endloser Wiederholungsschleife lief –, hatte genickt, als Will sagte, es bestehe kein Grund zur Eile. »Wir können das jederzeit machen«, hatte Will gesagt. »Aber erst sollten wir alle anderen Möglichkeiten ausschöpfen. Ist ja klar, dass ich genetisch geeignet bin.«
Manchmal schlich sich eine schreckliche Vorstellung in Wills Gedanken ein: Man hatte ihn bereits getestet, und er hatte sich zu einer Spende bereit erklärt, aber es war kein anderer Spender verfügbar. In dieser Situation würde er vor einer fürchterlichen, unausdenkbaren Entscheidung stehen. Allein der Gedanke daran brachte ihn dazu, sich mit der Hand ins Gesicht zu schlagen (Lass es sein, Will. Denk nicht mal daran. Nicht jetzt. Niemals). Welche der Optionen wäre das in seiner gerade begonnenen Liste? Nummer fünf vielleicht? Diesmal schlug er sich mit der Handfläche gegen die Stirn und sagte laut: »Nein!« Eine solche Entscheidung würde er niemals treffen. Er würde beide retten, Georgie und Kay – und das bedeutete, dass beide Spender gleichzeitig zur Stelle sein mussten. Was wiederum bedeutete, dass er Cynthia finden musste. Immerhin war sie die Mutter der Mädchen. Welche Mutter konnte in einer solchen Situation ihre Hilfe verweigern? Welche Mutter würde das Schicksal ihrer schönen Töchter auf Gedeih und Verderb einer schwer zu entziffernden, ständig länger werdenden Liste überlassen – einer Liste, auf der mindestens 6500 Spendernamen standen (und dennoch waren in den letzten zwölf Monaten nur 1800 Transplantationen durchgeführt worden).
Er seufzte, und Besorgnis verdrängte seine zaghafte Zuversicht: Die Art von Mutter, die so etwas tun würde, wäre genau die Art von Mutter, die sich beim Einkaufen auf Nimmerwiedersehen aus dem Staub machte.
Der Drucker warf die Strecke aus, die der Routenplaner berechnet hatte. War alles da, was er für seine Fahrt morgen benötigte? Er ging die Liste durch, die er unter der Überschrift auf Seite eins seines Notizblocks gemacht hatte.
Ja, er hatte den Gefängnisbesuch angemeldet.
Ja, er hatte alle nötigen Ausweispapiere für die Eingangskontrollen eingesteckt.
Für alle Fälle hatte er auch Bargeld dabei. Zweihundert Pfund, um genau zu sein. Womit sein Überziehungskredit mit einer Gesamtsumme von 1790,56 £ belastet war – zumindest, bis in zwei Wochen sein nächstes Gehalt eintreffen würde.
Will schleppte sich in das kleinste der drei Schlafzimmer im Obergeschoss und starrte mehrere Stunden die Decke an, ehe er einschlief.
Als Kay am nächsten Morgen zur Schule gegangen war, entschied er sich dafür, Georgie nicht zu wecken. Die Dialyse forderte ihren Tribut: Sie musste sich ausruhen.
Er wollte sich gerade Frühstück machen, als es an der Tür läutete.
»Guten Tag, William«, sagte sein Vater. »Wir müssen miteinander reden.«
Seine Eltern kamen einmal im Monat zum Abendessen vorbei – ein Ritual, auf dem sie bestanden, seit Cynthia ihn verlassen hatte. Will sah diesem Besuch immer mit Grauen entgegen, während Georgie versuchte, sich irgendwie herauszureden, und Kay das Gute an der Sache sah (»Sie sind unsere Großeltern, Georgie. Sie haben uns lieb. Du kannst nicht einfach mit Freunden ausgehen!«). Will glaubte, dass diese monatlichen drei Stunden seinen Eltern ein reines Gewissen zum geringstmöglichen Aufwand bescherten. Sie hatten ihren Sohn besucht: abgehakt. Hatten ihre Enkelinnen nach Schule, Korbball und Musikorchester befragt: abgehakt. Und schon konnten sie wieder in ihr Vorzeigehaus in North Queensferry
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