Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tod sei Dank: Roman (German Edition)

Tod sei Dank: Roman (German Edition)

Titel: Tod sei Dank: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helen FitzGerald
Vom Netzwerk:
Verfügung stand.
    Er schloss sich im Badezimmer ein, zog sein Hemd aus und malte sich mit einem schwarzen Filzstift rechts und links den Umriss einer Niere auf den Oberkörper.
    »Das sind meine Nieren«, sagte er. »Und nur eine von denen kann ich entbehren.«

[Menü]  
Kapitel neun
    Fast zur gleichen Zeit, als ich krank wurde, lernte ich einen neuen Typen kennen. Er bot mir einen bequemen Sessel an, und ich setzte mich hin. Er war langweilig und vorhersehbar, ein Abbild meines Vaters. Er fütterte mich gern, aber kochen konnte er nicht. Er war gern mit mir zusammen, aber zu sagen hatte er nichts. Er gab gern, aber letztlich nahm er immer mehr, als er gab.
    Ach, du meine Gluckermaschine.
    Mir wäre eine andere Art von Freund lieber gewesen. Einer, der sich bewegt hätte, zum Beispiel. Der mich berührt hätte und nicht einfach nur neben mir gestanden und gesaugt und getropft hätte, bis meine Arme zu blubbernden Klumpen angeschwollen waren. Aber eine andere Art von Freund war für mich im Moment nicht im Angebot. Würde es wahrscheinlich nie mehr sein. Was hätte ich ihm auch sagen sollen? »Montag, Mittwoch, Freitag und Sonntag gehen nicht, Jim (oder wie auch immer er heißen mochte), da habe ich schon was vor.«
    »Wir könnten doch zusammen essen gehen«, würde er vielleicht vorschlagen, und ich müsste sagen: »Aber wo/was? Ich kann jetzt alles Mögliche nicht mehr essen. Bananen zum Beispiel. Wenn ich eine Banane esse, sterbe ich wahrscheinlich. Andererseits sterbe ich wahrscheinlich sowieso.«
    »Wie wärs mit spazieren gehen?«
    »Würde ich sehr gern, Jim, aber ich bin wieder mal total erschöpft.«
    »Und wenn wir an einem der Zwischentage ins Kino gingen?«
    »Nee. Da bin ich zu sehr damit beschäftigt, literweise Wasser zu trinken und mich beschissen zu fühlen. Außerdem bin ich dann immer ganz gelb im Gesicht. Willst du wirklich eine gelbe Freundin haben?«
    Tschüs, Jim (oder wie auch immer du heißen magst).
    Meinen neuen Typen nannte ich Alfred. Er sah aus wie ein Alfred. Ein quadratischer weißer Roboter mit Kabeln, von denen einige sehr rot waren und andere nicht ganz so sehr. Manchmal stellte ich mir vor, dass er mit mir spräche. Er tat das immer mit einer tiefen, Alfred-haften Stimme (Nicht doch, Georgina, du weißt, dass du stillsitzen musst) . Alfred lutschte mich erst aus, dann spritzte er mich voll, und das würde er so lange tun, bis ich oder jemand anders stürbe – ein ganz spezieller anderer, der auch so eine limitierte Gucci-Taschen-Niere wie ich hatte. Die Sorte, die man in der »Wie-imitiere-ich-den-Stil-von…«-Abteilung der Frauenzeitschriften findet. Da wird sie dann von einer zweitklassigen Prominenten getragen, die ihren Namen auf eine Warteliste gesetzt und Tausende von Dollars gezahlt hat, damit sie »an diese verdammte Tasche« kommt und ihren Coolness-Faktor steigert.
    Das war alles noch öder, als eine von den Hausfrauenbekannten meines Vaters zum Kaffee zu besuchen oder ein Sachbuch von vorne bis hinten durchzulesen oder meinem Vater dabei zuzuhören, wie er den Vor-Vorschlag für den Entwurf einer Filmhandlung vorlas. Als wir zehn Jahre alt gewesen waren, hatte er das mal gemacht. Noch nie zuvor in meinem Leben waren fünfzehn Minuten so qualvoll langsam vergangen. Worum war es noch mal gegangen? Ich erinnere mich nur noch an ein Blatt. Nicht mal die Farbe war interessant; es war braun.
    Rauchen durfte ich hier drinnen auch nicht. Stattdessen musste ich fies schmeckende Nikotinkaugummis kauen, von denen ich Schluckauf bekam.
    Der Arzt in Edinburgh hatte mir ein Faltblatt gegeben, nachdem er mir erklärt hatte, dass ich jetzt auf Alfred angewiesen sei. Vorn auf dem Faltblatt saß eine Frau auf dem mir inzwischen wohlbekannten Sessel und lächelte so glücklich, als ob dies der schönste Ort der Erde wäre. »Sollten Sie auch mal ausprobieren!«, schien ihr Lächeln auf dem Hochglanzpapier zu sagen. »Probieren Sie es gleich jetzt aus! Auch wenn es sehr teuer ist!« Die Frau war mindestens vierzig Jahre alt. Vielleicht war das Ganze für sie eine spaßige Sache, verglichen mit dem ewigen Kampf gegen die Falten und den Großbestellungen für Klopapier. Aber ich war erst sechzehn Jahre alt. Es gab jede Menge Partys, auf denen ich noch nicht gewesen war, Drogen, die ich nicht genommen, Länder, die ich nicht gesehen, Lover, mit denen ich nicht gevögelt hatte. Ich wette, die Frau auf dem Prospekt war gar nicht richtig krank. Sobald das Foto im Kasten war, hatte sie

Weitere Kostenlose Bücher