Tod und Leidenschaft (German Edition)
Blick ab, in der Befürchtung, sie könne in seinen Augen die Enttäuschung und sein geschundenes Herz sehen.
„Es geht um meinen Herrn, Sir.“
„Wenn er dich um den Lohn geprellt hat … da kann ich gar nichts machen. Und jetzt raus!“
Sie machte einen Schritt rückwärts und stammelte:
„Nein, Sir. Das nicht. Aber er …“
„… hat dich angefasst …“ Seine Stimme nahm einen ungehaltenen Ton an.
„Auch das nicht, Sir.“
„Herrgott, Mädchen! Was zum Teufel willst du hier?“ Jetzt brüllte er.
„Ich … also mein Herr … der Prinz Norotkin …“
Harris hielt den Atem an. Er war so starr und bleich geworden, als habe man den wahren Harris gegen eine Figur aus dem Panoptikum von Madame Tussaud getauscht.
„Setz dich!“ Sein Ton war nicht eben verbindlich zu nennen, doch das Mädchen empfand es offenbar als guten Fortschritt und setzte sich.
Ihr kleines Beutelchen im Schoß knetend, sprach sie stockend: „Also … sehen sie … es ist so … der Herr hat seit geraumer Zeit merkwürdige Leute, die ins Haus kommen. Und nun will er morgen das Land verlassen.“
Harris war alarmiert. Morgen schon?, schoss es ihm durch den Kopf.
„Das ist kein Verbrechen, dass dein Herr England verlassen will und seltsame Besucher hat.“
„Nein, Sir. Natürlich nich, Sir. Aber …“
„Aber was?“
„Ich dachte, sie hätten vielleicht Informationen, was die Angelegenheiten vom Herrn angeht. Und, dass es ihnen nützlich wäre, zu wissen, dass er morgen abreist …“
Es hörte nicht auf. Jedes Mal, wenn er hoffte, einen Ansatz zu finden, zerschlug sich dieser, sobald er nur die Hand ausstreckte.
„Ist dein Besuch hier nur auf deinem Mist gewachsen?“
„Nein, Sir. Mein Freund weiß auch davon. Finn … das was mein Freund is … also Finn passt auf den Herrn auf. Sozusagen. Sir.“
Harris erinnerte sich an den jungen Burschen mit dem finsteren Blick, dem er bei Norotkin gegenübergestanden hatte. Das musste dieser Finn sein.
„Ja. Das ist ja lobenswert, dass ihr uns helfen wollt und du dich deswegen auf den beschwerlichen Weg hierher machst … Aber wegen seiner Besucher können wir deinen Herrn nicht festnehmen …“
„Nee, Sir. Deswegen nich. Das denk´ ich mir … Aber vielleicht deswegen …“
Sie begann, in den Falten ihres billigen, dicken Rocks zu kramen bis sie die eingenähte Tasche gefunden hatte und zog dann ein zu einem winzigen Viereck gefaltetes Blatt heraus.
Sie öffnete es, strich es auf dem Schenkel glatt und reichte es dann Harris.
„Wo hast du das her?“
„Von meim Herrn … Hab´s beim Einfeuern gefunden. Er hat´s wohl verbrennen wollen heut Morgen. Und dabei musses neben´s Feuer geplumpst sein.“
Harris stockte der Atem.
Er griff nach dem Blatt und wagte zunächst kaum, auf die Zeilen zu sehen. Dann aber flogen seine Blicke so schnell über sie hinweg, dass er den Brief ein weiteres Mal lesen musste, um dessen ganzes Gewicht zu erfassen.
Mein lieber Freund,
leider zwingen mich die widrigen Umstände, diesen direkten Kontakt mit Ihnen zu suchen.
In meinem Haus ist ein Polizist aufgetaucht, der meines Wissens nach, mit der Suche nach unserem gemeinsamen Schützling beauftragt ist.
Die Zeit drängt und ich muss Sie darauf hinweisen, dass ich bereits für den kommenden Freitag meine Abreise plane.
Unser Schützling muss also so aktiv werden, dass meine Abreise ohne jegliche Aufmerksamkeit vonstattengehen kann. Sorgen Sie dafür!
In diesem Zusammenhang muss ich auch jene junge Dame zur Sprache bringen, über die mir von dritter Seite berichtet wurde und die in einem gewissen Verhältnis zu jenem Polizisten steht.
Ich habe sie bereits mahnen lassen, sich von dieser Person zu befreien. Sie aber haben meine Worte in den Wind geschlagen. Sei es aus falscher Sentimentalität oder sonst einem unsäglichen Beweggrund.
Da ich davon ausgehen muss, dass bereits gewisse Querverbindungen polizeilicherseits gezogen wurden, fordere ich Sie ultimativ auf, endlich die geeigneten Schritte zu unternehmen!
N.
Wenn auch kein einziger Name genannt wurde, so stand doch für Harris vollkommen fest, wer gemeint war!
Sein Herz raste. Schweiß trat aus all seinen Poren. Er faltete den Brief ohne jede Rücksicht hastig zusammen und schob ihn in seine Jacketttasche.
Elizabeth befand sich in Lebensgefahr.
Die Aufforderung des Briefes war nicht falsch zu verstehen.
„Weiß dein Freund von dem Brief?“
„Nein, Sir. Hab ihn ja heut erst gefunden.“ Sie
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