Tod und Leidenschaft (German Edition)
Fleisch. Er zappelte daran und konnte sich nicht befreien. Was wusste sie? Und – woher?
„Auf was willst du hinaus?“
Im gleichen Moment biss er sich selbst auf die Zunge. Die Frage hätte so nicht gestellt werden dürfen. Zu harsch. Zu ablehnend.
Vielleicht hatte er sie damit nicht verletzt. Aber sicherlich zum Kampf aufgefordert und jetzt würde sie ihn überrennen.
„Ich will auf eine Frau hinaus. Eine Dame besser gesagt. Blond. Schlank. Offenbar nicht unvermögend, wenn ich Rückschlüsse aus ihrer Kleidung ziehen darf.“
„Ich verstehe nicht …“, stammelte Harris. Panik stieg in ihm auf. Er hatte Elizabeth unterschätzt. Und er hatte zu lange die Wahrheit verschwiegen. Das war ein Fehler, der sich grausam rächen würde.
„Ich muss dir etwas sagen …“ Er fing seine Erklärung an, als habe er von sich aus den ersten Schritt zur Wahrheit gemacht und konnte doch nur reagieren. Wie erbärmlich er sich fühlte. Noch eine Unwahrheit …
„Ich bin … nein – ich war verlobt. Aber ich habe die Verlobung gelöst. Weil ich mich in dich verliebt habe. Du …“
Elizabeth erhob sich mit vernichtendem Blick. Wäre sie jetzt zornig gewesen, hätte ihn angeschrien vor allen Leuten, oder zu weinen begonnen. Doch nichts Dergleichen. Sie sah ihn nur an. Eiskalt. Bar jeden Gefühls.
Sie senkte kurz den Kopf und ging dann ruhig hinaus in die Kälte.
Er hatte sie verloren.
X
Ich bin bereit!
Das Warten hat ein Ende.
Ganz ruhig sage ich dies, denn es ist eine einfache Erkenntnis. Das Zeichen ist in mir. Ich habe es außen gesucht und in mir übersehen.
Mit geschlossenen Augen blicke ich auf die Straße.
Sie ist leer. Ausgestorben. Der Herbstwind treibt Nebelfetzen um die Häuserecken. Ich muss nicht hinsehen, um zu wissen, dass es so ist.
In mir herrscht tiefe Ruhe. Meine Seele ist wie ein Meer bei Windstille.
Ich habe die Lösung gefunden. Was ich auch bisher getan habe, es geschah in einem Wirbelsturm der Gefühle. Hat mich mit sich gerissen.
Wollte ich nicht alle Huren ausrotten? Habe ich nicht die Unmöglichkeit dieses Plans erkannt?
Aaah … ich war töricht. Alles liegt in einem selbst. Was dort nicht zu sehen ist, ist nirgends.
Aber die Lösung hat sich in meiner Brust materialisiert und ist hinauf in mein Gehirn gestiegen.
Meine Vorgehensweise war falsch. Nicht ganz falsch, aber doch …
Jetzt werde ich es anders machen. Keine offene Straße mehr. Kein öffentlicher Platz.
Dieses Mal suche ich mir eine, die ein Zimmer hat.
Und ich werde ein Fanal setzen!
Ich werde das Grauen in ihre Häuser und ihre Hirne treiben. Werde den Pflock in ihre Herzen stoßen.
Diesen Abschaum ausweiden. Zerlegen. Wieder und wieder. Bis sie sich nicht mehr in ihre Gassen wagen. Bis sich ihre Augen vor Angst weiten, wenn nur ein Schatten auf sie fällt.
Schreiend werden sie diese Stadt verlassen. In die See werde ich sie treiben.
Ersaufen werden sie wie Ratten.
Meine Hände werde ich in Blut baden. Kaskaden von Blut über mein Fleisch rinnen lassen.
Ich ziehe mich nackt aus und stehe mitten in meinem Zimmer. Ich erhebe die Hände über den Kopf und das Blut kommt einem Wasserfall gleich auf mich nieder. Ich kann es spüren! Herr Allmächtiger! Zeichne dein Werkzeug!
Rotübergossen wandele ich durch die Straßen und sie bleiben stehen. Starren mich an. Aber niemand wagt, mich aufzuhalten. Mit Fingern deuten sie auf den Erlöser. Werfen sich auf die Knie und pressen ihre elenden Visagen in den Kot der Straße. Unwürdig sind sie! Unwürdig! Ich aber bin ihr Herr!
Mächtiger als irgendjemand zuvor. Ströme von Blut werden sie hinweg tragen. Reißen das Geschmeiß von den Füßen und spülen es in die Kloaken.
Und mein Siegesgeheul wird von den zerfallenen Mauern widerhallen! Ja, das wird es! Bei Gott! Das wird es!!! Und wenn ich längst nicht mehr auf dieser Erde wandle, wird mein Schrei noch zu hören sein. Er wird die Jahrhunderte überdauern. Amen!
X
„Wir reisen Freitag. Du begleitenst mich und meine Verlobte bis nach Dover. Von dort nehmen wir ein Schiff.“
Finn nickte. Er hielt seine Mütze zwischen den Händen und vermied es, sie zu drehen, oder zu kneten, auch wenn ihm danach war.
„Begleite ich sie auf der ganzen Reise?“
„Nein. Nur bis Dover. Dort wird man mich erwarten. Damit endet auch dein Dienst bei mir.“
Mit dieser knappen Nachricht wandte Norotkin sich ab und öffnete einen der Briefe, die mit der Morgenpost gekommen waren.
Finn war entlassen.
Auf der Treppe ins
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