Tod und Leidenschaft (German Edition)
weit kann ich gehen, ohne in den Schlamm zu treten. Vor ein paar Jahren wusste ich nicht einmal, dass er existiert und jetzt ist er schon bis auf zwei Straßen herangekommen … Die erste Hure. Jetzt scheuen sie nicht mal mehr das trübe Licht des Tages. Die stickige Hitze macht aus dem Gestank, den sie verströmt , eine greifbare Masse. Mein Magen zieht sich zusammen bei ihrem Anblick. Wie sie mich aus zahnlosem Maul angrient … Ihr filziges Haar nachlässig unter einen zerdrückten Strohhut gestopft.
Die abgerissen herunterhängenden billigen Stoffblumen widern mich an.
Sie hebt ihre Röcke und zeigt mir ungeniert ihre klebrige Scham. Ich starre sie an. Wie kann ich nur? Schnell den Blick geradeaus wenden.
„Na … so ´n feiner Pinkel …“ Das Dreckstück lispelt wie eine Trauerweide. „Haste dir heut Morgen einen runterholen müssen?“
Wie kann sie es wagen, auch nur ein Wort an mich zu richten? Zorn wallt in mir auf, wie die stickige Hitze des Tages.
„Wenn de ne feine Fotze brauchst, komm her!“
Ich drehe mich versehentlich im Gehen um und sehe, wie sie ihren entblößten Unterleib hin und her schwenkt.
Wenn ich mich nicht beherrsche, muss ich mich übergeben. Hier in den Schlamm, der schon meine Schuhe beschmutzt. Ich muss ganz dicht an der Häuserzeile gehen, um nicht knöcheltief zu versinken. Sie hält es für Zustimmung. Kommt hinter mir her. Mein Atem geht flacher. Kommt nicht mehr bis in meine Lungen. Ich gehe schneller. Aber das Weib hat Blut geleckt.
Flüchte ich vor ihr? Denkt sie das? Es muss so aussehen. Mein Körper erstarrt, als ich ihre dreckige Klaue an meinem Arm spüre.
„Ich bin sauber … zwei Guineas und du kannst mich ficken …“
Ihr stinkender Atem ist unerträglich. Sie ist mir zu nahe. Viel zu nahe. Wenn ich sie abzuschütteln versuche, wirble ich den Gestank auf. Ich will mich beherrschen. Muss mich beherrschen. Stoßweise geht mein Atem jetzt. Mein Körper zittert wie im Fieber. Sie bemerkt es nicht. Ihre tränenden, leeren Augen starren mich an wie eine Totenkopffratze.
„Verschwinde!“ Mehr kann ich nicht sagen. Mehr gibt mein gepeinigter Körper nicht her.
„Sei doch nicht so, Süßer. N kleiner Fick am Morgen hat noch keinem geschadet … Guuut … ich mach´s dir auch für einen Guinea …“
Aus! Mein freier Arm schnellt vor, packt das Dreckstück bei der Kehle und rammt sie gegen die Hauswand.
Sie reißt die Augen auf und hechelt. Ihre Kehle hüpft panisch in meiner Faust. Ihr verrottendes, leeres Maul klafft offen und der stinkende Atem schlägt mir entgegen.
„Sprich nie denjenigen an, der deine Nemesis ist!“
Sie senkt den Kopf mir entgegen. Ungläubiges Staunen … Sie vergisst die Gefahr, in der sie schwebt. Aber die Angst lauert noch hinter den glotzenden Augen.
Ich drücke ihre Kehle zu. Immer fester.
„Ey … Mister …“, röchelt sie.
„Sprich … nicht … mit … mir!“, zische ich ihr zu und bemühe mich, dabei nicht durch die Nase zu atmen. Sie hat Angst. Bei Gott! Sie hat Angst! Das Zittern läuft durch ihren Körper. Es elektrisiert mich. Es ist, als beginne mein Verstand zu leuchten. Mein Gesicht entspannt sich und der Druck in meiner Faust nimmt zu. Ich kann es steuern! Ihre Arme wedeln.
„Willst du mich loswerden? Hm? Wolltest du nicht eben noch, dass ich dich ficke?“
Ein tiefes Gurgeln kommt aus ihrem Hals. Ihre Augäpfel treten aus ihren Höhlen. Stirbt sie jetzt? Sieht so der Tod aus?
„ Fort! Unrein !, rief man ihnen zu. Fort! Berühret nicht ! Da flohen sie und wankten zu den Heiden fort. Sie durften nicht bleiben.“
Ihre Pupillen verdrehen sich. Gleiten weg unter die aufgerissenen Lider.
Schlaff wird sie und ich bin versucht, ihren wegsackenden Körper zu stützen.
„Hey! … Du da!“ , schreit jemand mit schwerem Akzent.
Gilt der Ruf mir? Ein Kerl in abgerissenen Hosen stapft durch den Dreck auf mich zu. Seine zerbeulte Melone schief auf dem Kopf. Ein Schlägertyp. Die Unterarme mit bläulich- schwarzen Tätowierungen überzogen.
„Lass die Lady los!“
Lady? Er redet von diesem Abfall?
Es ist sein Geruch, als er auf mich zukommt. Er stinkt genauso wie die Hure. Er ist mir über, wenn es zu einer Schlägerei kommt. Seine Fäuste sind gut für vier. Ich sehe seine verhornten Knöchel.
„Sie wollte mich betrügen, das Miststück!“, stoße ich hervor, errötend vor Scham, dass ich vor solch einem Kerl zu lügen gezwungen bin.
Ich lasse sie los und die Hure sackt in den Dreck. Ohne ein weiteres
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