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Tod von Sweet Mister

Tod von Sweet Mister

Titel: Tod von Sweet Mister Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Woodrell
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sagte Granny, die in der Nachmittagshitze stand und eine lange, nur halb angezündete Zigarette rauchte. Sie rührte keinen Fuß, schwankte aber wie Präriegras im Wind. Sie hatte die Augen zu Schlitzen verengt wie ein Cowboy, der die sengend heiße Prärie absucht. Ihre Zigarette brannte schief.
    »Das ist ein Stoppschild, Ma«, sagte Carl.
    Wir sahen uns zu dritt das Schild an. Granny hatte es umgefahren. Wir hatten Zeitungen verteilt, und aus irgendeinem Grund hatte sie rückwärtsfahren wollen, aber die Erfrischungen waren ihr bereits zu Kopf gestiegen, und so war sie mit dem Kombi über den Bordstein geschossen, direkt gegen das Schild.
    »Deswegen werd ich mir nicht in die Hosen machen«, verkündete sie. Dann gab sie ein komisches Geräusch von sich, das ein Kichern sein sollte. Sie klopfte sich auf das Knie. Wenn sie sprach, saugte ihr Mund die Lippen ein und pustete sie mit den Wörtern wieder heraus. »Wenn irgendwelche Blödmänner da ein Schild hinstellen, dann müssen sie eben damit rechnen.«
    »Das ist eine Kreuzung, Ma. An Kreuzungen stehen Stoppschilder.«
    Granny verlangte von den Straßen, ihren Wünschen zu gehorchen, wenn sie betrunken war, und sie schien zu glauben, dass sie das auch taten. Sie wollte dann, dass die Straße eine Kurve machte oder noch eine weitere Fahrspur bekam oder sich erhob und sich den anderen Verkehr aus dem Pelz schüttelte. Fremde konnten nicht wissen, wenn sie betrunken war, aber ich wusste es. Granny tönte groß, wenn sie getrunken hatte, und wurde ganz eingebildet. Sobald sie anfing, mit ihren Gedanken und Vorstellungen zu prahlen, war es an der Zeit, aus dem Kombi zu springen und zu Fuß zu gehen, wenn man nicht in einen Unfall geraten wollte.
    »Wir stellen es besser wieder auf«, meinte Carl. »Die Leute da drüben haben alles gesehen.«
    »Vielleicht sollte ich mal rübergehen und denen den Hintern so lange versohlen, bis sie sich um ihre eigenen Angelegenheiten kümmern.«
    »Nein, Ma, besser nicht.«
    Sie stand neben dem Kombi voller zusammengerollter Zeitungen, der Motor lief noch, der Wagen wackelte, und es qualmte aus dem Auspuff.
    »Ich glaube, das könnte ich jetzt glatt tun.«
    »Ich glaube, du kommst in den Knast, wenn wir das Schild nicht schleunigst wieder aufstellen.«
    »Kein Knast hält mich auf, Sohn.«
    »Du bleibst da stehen!« Carl trug eine lange Hose. Er wollte nicht, dass die Leute seinen Krater sahen. Er humpelte gewaltig, als er zum Schild hinüberging. »Hilf mir mal, Shug.«
    Ich sagte ihm, was für mich offensichtlich war:
    »Das Schild ist hinüber, Carl.«
    »Tja, sieht so aus.«
    »Das ist so verbogen wie ein Hufeisen. Ein Hufeisen wird nicht mehr gerade.«
    Carl stützte sich auf mich, und ich nahm seinen üblichen Tagesgeruch nach Bier und Zigaretten wahr. Seine Haare reichten ihm schon bis an die Ohren, und er wollte sich einen Schnurrbart wachsen lassen, aber das dauerte noch. Sein Gewicht, das auf mir lastete, war gar nicht so schlimm, und wir blickten beide auf das Schild. »Schätze, das kriegen wir nicht mehr hin.«
    »Niemals.«
    »Dann nichts wie weg hier, Mann. Nichts wie weg. Ich fahre.«
    Damit das Werfen der Zeitungen mehr Spaß machte, dachten wir uns einen Wettbewerb aus. Carl lümmelte krumm auf dem Fahrersitz, das schlechte Bein halb auf den Sitz hochgezogen, damit er sich bewegen und die Pedale mit dem guten linken Bein treten konnte. Er hatte eine Dose Bier im Schoß und ließ das Radio laut laufen. Granny beugte sich aus dem Beifahrerfenster, ich mich aus dem Fenster hinter ihr; wir versuchten, die Zeitungen bei den richtigen Adressen auf die Vorderveranda oder die Auffahrt zu werfen. Eine Veranda gab fünf Punkte, eine Auffahrt zwei.
    »Du musst besser zielen«, sagte ich.
    »Ich ziele gleich auf deinen Kopf.«
    »Du bist eine schlechte Verliererin, Granny.«
    »Ich hab noch nicht verloren, Fatty.«
    Sie sagte Carl, wo er langfahren musste, weil er nicht alle Häuser der Route kannte. Granny rief dann: »Das da«, woraufhin sie oder ich eine Zeitung warf und Carl die Punkte zählte. Es waren alle möglichen Arten von Häusern, nur in der ärmsten Sorte wie dem unseren schien sich keiner für Neuigkeiten aus der Zeitung zu interessieren. Einige der reicheren Häuser hatten unglaublich dichte Büsche und haufenweise Kram vor den Veranden, und manchmal verschwand die Zeitung einfach darin. Nach solchen Würfen musste ich aussteigen und die Zeitung tief in den Büschen suchen. Manche Buschnadeln fühlten sich nicht

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