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Tod vor Morgengrauen: Kriminalroman

Titel: Tod vor Morgengrauen: Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deon Meyer
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Sprengstoff.
    Sie hatten sich auf 2000 Rand pro Woche geeinigt. Im Voraus. Sie würde die Summe zunächst aus ihrer eigenen Tasche zu zahlen
     haben, falls van Heerden nichts fand. Viel zu viel Geld. Selbst wenn Wilna van As es später in Raten abstotterte. Geld, das
     sich die Kanzlei nicht leisten konnte. Sie würde mit Kemp telefonieren müssen. Sie griff zum Hörer.
    Er stand in der Tür.
    »Ich muss noch mal mit van As reden.« Er lehnte am Türrahmen, schlanker Körper, blaues Auge, Leck-mich-am-Arsch-Haltung, einen
     braunen Umschlag in der Hand. Sie bemerkte, dass sie, die Hand zum Hörer ausgestreckt, zusammenschreckte, und er hatte es
     gesehen. Ihre Abneigung gegenüber diesem Mann war noch nicht sehr weit gediehen, |48| aber sie war im Wachsen begriffen, wie ein austreibender Same.
    »Das müssen wir erst besprechen«, sagte sie. »Und vielleicht sollten Sie das nächste Mal in Betracht ziehen anzuklopfen, bevor
     Sie eintreten.«
    »Warum müssen wir das besprechen?« Er setzte sich erneut auf den Stuhl ihr gegenüber, diesmal aber beugte er sich vor; seine
     Körpersprache zeugte von Feindseligkeit.
    Sie holte tief Luft, zwang sich zur Geduld – und Standhaftigkeit. »Wilna van As hat allein als Mensch ein Anrecht auf unsere
     Anteilnahme und unseren Respekt. Darüber hinaus hat sie in den letzten neun Monaten Dinge durchgemacht, wie sie die meisten
     von uns ihr ganzes Leben nicht erfahren. Auch wenn wir nur wenig Zeit hatten, fand ich Ihr Verhalten heute Morgen ihr gegenüber
     bestürzend und unerträglich.«
    Er saß auf dem Bürostuhl, hatte den Blick auf den braunen Umschlag gerichtet, mit dem er rhythmisch gegen seinen Daumennagel
     klopfte.
    »Sie sind nur zu zweit. Zwei Frauen.«
    »Was?«
    »Die Kanzlei. Anwältinnen.« Er sah auf und wies mit einer unbestimmten Handbewegung auf das Büro.
    »Ja.« Sie verstand weder, warum er ablenkte, noch, worauf er hinauswollte.
    »Warum?«, fragte er.
    »Ich verstehe nicht, was das mit Ihrer Gefühllosigkeit zu tun hat.«
    »Darauf komme ich gleich, Hope. Ist es Absicht, dass nur Frauen in dieser Kanzlei beschäftigt sind?«
    |49| »Ja.«
    »Warum?«
    »Weil das Rechtssystem fest in Männerhand ist. Aber dort draußen gibt es Tausende von Frauen, die ein Recht darauf haben,
     dass man ihnen mit Verständnis und Anteilnahme begegnet, wenn sie angeklagt sind oder sich scheiden lassen wollen. Oder nach
     einem Testament suchen.«
    »Sie sind eine Idealistin«, sagte er.
    »Sie nicht.« Eine Feststellung.
    »Und das ist der Unterschied zwischen uns beiden, Hope. Sie glauben, Sie könnten sich durch Ihre Frauengruppen, durch Ihre
     Frauen-Kanzlei, durch Ihre regelmäßigen Beiträge zum Straßenkinderhilfsfonds und der Mission das Gewissen reinwaschen. Sie
     glauben, Sie und Ihresgleichen seien schon per se gute Menschen, wenn Sie nur in Ihren teuren BMW steigen und zum Fitness-
     und zum Tennisclub fahren, und dabei sind Sie so verdammt selbstzufrieden mit sich und der Welt. Weil Sie glauben, jeder sei
     von Grund auf ein guter Mensch. Aber ich will Ihnen was sagen: Wir sind schlechte Menschen. Sie, ich, wir alle.«
    Er öffnete den Umschlag, nahm zwei postkartengroße Fotos heraus und schleuderte sie ihr über den Schreibtisch.
    »Haben Sie die schon zu Gesicht bekommen? Der verstorbene Johannes Jacobus Smit. An seinen eigenen Küchenstuhl gefesselt.
     Erfüllt Sie das mit Anteilnahme und Verständnis? Oder welche politisch korrekten Begriffe wollen Sie mir hier noch auftischen?
     Jemand hat das mit ihm angestellt. Hat ihn mit Draht gefesselt und mit einem Schweißbrenner traktiert, bis er sich nur noch
     wünschen konnte, sie würden ihn erschießen. Irgendjemand. Irgendwelche Leute. Und Ihr |50| unberührbarer Engel Wilna van As steckt mittendrin in dieser Scheiße. Der fette Inspector Tony O’Grady vom Morddezernat glaubt,
     sie sei daran beteiligt, weil viele kleine Dinge nicht zusammenpassen wollen. Und was Morde betrifft, gibt ihm die Statistik
     Recht. Gewöhnlich ist es der Ehemann, die Ehefrau, die oder der Geliebte. Vielleicht hat er Recht, vielleicht hat er Unrecht.
     Aber wenn er Recht haben sollte, was ist dann mit Ihrem Idealismus?«
    Sie sah von den Fotos auf. Blass. »Und Sie wollen meine Vorstellungen wie eine Seifenblase zerplatzen lassen …«
    »Sind Sie jemals einem Mörder begegnet, Hope?«
    »Sie haben Ihr Ziel erreicht.«
    »Oder jemandem, der Kinder missbraucht. Wir …«, und dann zögerte er ganz kurz, bevor er fortfuhr, sprach

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