Tod vor Morgengrauen: Kriminalroman
Teelöffel Zucker, eine Messerspitze Salz, schmeckte ab, gab noch etwas Zucker hinein. Stellte die Flamme unter den Karotten
aus. Er kehrte zum Tisch zurück und setzte sich ihr gegenüber.
»Eine unmögliche Aufgabe«, sagte er. »Ich suche ein Testament.«
»Sam Spade«, sagte sie, und ihre Augen lachten.
Er schnaubte.
»Ich bin so froh«, sagte sie. »Es ist so lange her …«
»Es gibt keinen Grund dazu«, sagte er leise.
Sie sah ihn voller Mitgefühl an. »Erzähl mir«, sagte sie und lehnte sich auf dem Stuhl zurück. »Von dem Testament.« Die Kerzen
schimmerten dunkelrot im Weinglas, als sie danach griff.
Hope Beneke zündete im Badezimmer dreizehn Kerzen an, ohne sie zu zählen. Die Kerzen waren bunt: grün und blau und weiß und
gelb — eine war eine Duftkerze, alle waren klein und stummelig. Sie liebte Kerzenlicht, deren Schein das kleine, weiß geflieste
Bad im Stadthaus in Milnerton erträglicher machte.
Ihr momentanes Domizil mit zwei Zimmern, einer zum |57| Wohnbereich hin offenen Küche und weißen Melaminschränken. Eine vorübergehende Bleibe. Bis die Kanzlei richtig Geld abwarf.
Bis sie sich etwas mit Meerblick leisten konnte, ein weißes Haus mit grünem Dach und einer Holzveranda, von der man in den
Atlantik und seine Sonnenuntergänge hinaussehen konnte, ein Haus mit einer großen Küche — um Freunde zu empfangen — und Eichenschränken
und einem Bücherregal, das eine ganze Wand im Wohnzimmer einnehmen würde.
Sie goss Badeöl zu, rührte mit den Händen das Wasser um, während sie sich über die Wanne beugte und sich ihre kleinen Brüste
mit den Schultermuskeln bewegten.
Ihr Haus am Meer würde eine riesige Wanne haben, in der man sich räkeln konnte.
Sie drehte den Wasserhahn zu und stieg langsam in das warme Wasser, lauschte einen Augenblick, versuchte den Regen draußen
zu hören, um den Wasserdampf und die Wärme und Wohligkeit des Bades noch mehr auskosten zu können. Sie trocknete sich die
Hände an einem weißen Handtuch und ergriff das Buch, das auf dem Klodeckel lag.
London
. Edward Rutherford. Ein wunderbarer Schmöker. Sie schlug es beim Lesezeichen auf, das für die Bibliothekswoche warb.
Frauengruppen. Fitness- und Tennisclub
. Er konnte kein besonders guter Privatdetektiv sein, wenn er sie so oberflächlich und falsch einschätzte.
Sie gehörte nicht zu denen, die Mitglied in einem Fitnessclub waren.
Sie ging zum Joggen.
Wenn wir das Testament nicht finden, bekommt sie nichts?
Als hätte |58| sie ihm das nicht schon im Büro, bei ihrem ersten Treffen, gesagt. Als wäre Wilna van As erst an diesem Abend zu ihm durchgedrungen.
Wir sind schlechte Menschen …
Ein seltsamer Mann.
Sie konzentrierte sich auf das Buch.
»Das war köstlich«, sagte sie und legte Gabel und Messer ordentlich auf den Teller. Er nickte nur. Das Fleisch war für seinen
Geschmack nicht zart genug gewesen. Es fehlte ihm an Übung.
»Hast du dich wieder geprügelt?« Erst jetzt erwähnte sie sein Auge.
»Ja.«
»Mein Gott«, antwortete sie. »Warum?«
Er zuckte mit den Schultern, teilte den letzten Rest Rotwein auf die beiden Gläser auf.
»Wie viel Vorschuss hast du von ihr bekommen.«
»Zweitausend.«
»Du musst dir was zum Anziehen kaufen.«
Er nickte und nahm einen Schluck.
»Und neue Schuhe.«
Er sah die Nachsicht in ihrem Blick, die Fürsorge, die Sorgen. »Ja«, sagte er.
»Und du musst häufiger ausgehen.«
»Wohin?«
»Mit jemandem. Führ jemanden aus. Es gibt so viele junge, attraktive …«
»Nein«, sagte er.
»Wie heißt sie?«
|59| »Wer?«
»Die Anwältin.«
»Hope Beneke.«
»Ist sie hübsch?«
»Was spielt das für eine Rolle?«
»Frag ja nur.« Sie stellte ihr leeres Glas ab und erhob sich langsam. »Ich muss nach Hause.«
Er schob seinen Stuhl zurück, griff mit ausgestrecktem Arm nach ihrem Regenmantel, half ihr hinein, nahm ihren Regenschirm
zur Hand.
»Danke, Zet.«
»War mir eine Freude.«
»Gute Nacht.«
Er öffnete ihr die Tür.
»Nacht, Ma.«
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Als ich neun oder acht oder zehn Jahre alt war, irgendwann in diesen Weder-Fleisch-noch-Fisch-Jahren, aus denen kaum Erinnerungen
haften bleiben, nahm ich auf dem steinharten Spielfeld der Stilfontein Primary School an einem Rugbyspiel teil. Während der
üblichen Rangelei zwischen den kleinen Jungs bekam ich einen Schlag ab, woraufhin meine Nase blutete. Der Schiedsrichter,
einer der Lehrer, glaube ich,
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