Tod vor Morgengrauen: Kriminalroman
dämlich anstellte mit Frauen.)
»Ich weiß nicht«, murmelte er schließlich.
»Als Bezahlung kannst du mich dann zum Essen ausführen.«
|17| Erneut lachte mein Vater nur. Und kaum eine Woche später, sonntags, an einem kalten Wintermorgen, fuhr er mit seinem Morris
Minor von seiner Unterkunft in Stilfontein nach Potchefstroom. Sie, ausgerüstet mit Staffelei und Malutensilien, stieg ein
und lotste ihn auf der Carletonville Road hinaus in die Nähe des Boskop Dam.
»Wohin fahren wir?«
»Ins Veld.«
»Ins Veld?«
Sie nickte.
»Macht man das nicht in … einem Kunstsaal?«
»Einem Atelier.«
»Ja.«
»Manchmal.«
»Oh.«
Sie waren auf einen Feldweg abgebogen und hatten an einer kleinen Kuppe angehalten. Er half ihr die Ausrüstung zu tragen,
sah zu, wie sie die Leinwand auf der Staffelei befestigte, den Kasten öffnete und die Pinsel reinigte.
»Du kannst dich jetzt ausziehen.«
»Ich werde nicht alles ausziehen.«
Sie sah ihn nur schweigend an.
»Ich kenne noch nicht einmal deinen Vornamen.«
»Joan Kilian. Zieh dich jetzt aus.«
Er legte sein Hemd ab, dann die Schuhe.
»Das reicht«, widersetzte er sich.
Sie nickte.
»Was muss ich tun?«
»Stell dich auf den Felsen.«
Er kletterte auf einen großen Felsblock.
|18| »Nicht so steif. Entspann dich. Lass die Hände baumeln. Schau dort hinüber, zum Damm.«
Und dann begann sie zu malen. Er stellte ihr Fragen, aber sie antwortete nicht, wies ihn nur einige Male an, still zu stehen,
sah von ihm zur Leinwand, mischte und trug Farben auf, bis er es aufgab, mit ihr zu reden. Nach einer Stunde oder noch länger
erlaubte sie ihm eine Pause. Wieder stellte er Fragen, erfuhr, dass sie die einzige Tochter einer Schauspielerin und eines
Theaterdozenten in Pretoria war. Dunkel erinnerte er sich an die Namen aus Afrikaans-Filmen der vierziger Jahre.
Schließlich steckte sie sich eine Zigarette an und packte ihr Malzeug ein.
Er zog sich an. »Kann ich sehen, was du gezeichnet hast?«
»Gemalt. Nein.«
»Warum nicht?«
»Du kannst es sehen, wenn es fertig ist.«
Sie fuhren nach Potchefstroom zurück und tranken in einem Café heiße Schokolade. Er stellte Fragen zu ihrer Kunst, sie fragte
ihn nach seiner Arbeit. Und irgendwann während des Spätnachmittags an jenem Wintertag im westlichen Transvaal sah er sie lange
an und sagte dann: »Ich werde dich heiraten.« Sie nickte, denn das war der zweite Punkt gewesen, dessen sie sich absolut sicher
gewesen war bei ihrer ersten Begegnung.
|19| 3
Die Anwältin sah auf ihren Ordner und atmete hörbar ein.
»Johannes Jacobus Smit wurde am 30. September letzten Jahres bei einem Einbruch in seinem Haus in der Morletta Street in Durbanville
mit einer großkalibrigen Waffe tödlich verletzt. Der gesamte Inhalt seines begehbaren Safes ist verschwunden, darunter befindet
sich auch ein Testament, in dem er angeblich seinen gesamten Besitz seiner Lebensgefährtin Wilhelmina Johanna van As vermacht
hat. Wird dieses Testament nicht gefunden, fällt das Vermögen des verstorbenen Mr. Smit an den Staat.«
»Wie groß ist das Vermögen?«
»Nach allem, was bislang bekannt ist, etwas unter zwei Millionen.«
Er hatte es vermutet. »Van As ist Ihre Klientin.«
»Sie hat mit Mr. Smit elf Jahre zusammengelebt. Sie hat ihn bei seinen Geschäften unterstützt, ihm die Mahlzeiten zubereitet,
das Haus sauber gehalten, sich um seine Wäsche gekümmert und auf sein Drängen hin ihr gemeinsames Kind abgetrieben.«
»Er hat ihr nie angeboten, sie zu heiraten?«
»Er hielt … nicht viel von der Ehe.«
»Wo war sie am Abend des …?«
»Dreißigsten? In Windhoek. Er hat sie dorthin geschickt. |20| Geschäftlich. Sie kam am 1. Oktober zurück und fand ihn tot im Haus vor, an einen Küchenstuhl gefesselt.«
Er rutschte noch weiter auf seinem Stuhl nach unten. »Und ich soll das Testament aufspüren?«
Sie nickte. »Ich habe bereits alle Schlupflöcher, die das Gesetz lässt, ausgekundschaftet. Die abschließende Sitzung beim
Obersten Gerichtshof findet in einer Woche statt. Wenn wir bis dahin kein rechtsgültiges Dokument vorlegen können, wird Wilna
van As keinen Cent bekommen.«
»In einer Woche?«
Sie nickte.
»Es sind fast … zehn Monate vergangen. Seit dem Mord.«
Die Anwältin nickte erneut.
»Ich nehme an, die Polizei hat nichts gefunden.«
»Sie hat ihr Bestes getan.«
Er sah zu ihr, dann zu den beiden Diplomen an der Wand. Seine Rippen schmerzten. Er gab einen kurzen, ordinären
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