Todes Kuss
Blick.
Andrew sah erstaunt drein.
„Ich fühle mich so schlecht, weil ich die Reise nach Afrika nicht antreten werde.“
„Dass Sie hierbleiben wollen, ist natürlich eine Enttäuschung für mich. Doch ich verstehe Ihren Entschluss vollkommen, Mylady.“
„Ach, Andrew, Sie sprechen mit mir wie mit einer Fremden! Aber …“ Ich gab mir den Anschein zu zögern. „Ich fürchte, wir sollten ganz auf die Reise verzichten.“
„Sie meinen, Sie trauen es Arthur und mir nicht zu, Ihren Gemahl zu finden?“
„Ich meine, dass er“, ich barg mein Gesicht in den Händen, „nicht wert ist, gefunden zu werden. Ich habe so schreckliche Dinge über Philip erfahren. Ich wage kaum, daran zu denken. Und ich kann unmöglich darüber reden.“
Meine gespielte Verzweifelung bewirkte, dass Andrew an mich heranrückte und nach meinen Händen griff. „Bitte, haben Sie Vertrauen zu mir! Ich bedauere, dass ich nicht immer ehrlich zu Ihnen war. Doch Sie wissen, dass der Grund dafür allein …“
„… Ihre Liebe zu mir war“, vollendete ich seinen Satz.
Er nickte.
„Ich habe erfahren, dass mein Mann ein Dieb ist“, sprudelte es aus mir heraus. „Seine Kunstsammlung besteht hauptsächlich aus Objekten, die aus dem British Museum gestohlen wurden.“
„Was?“, rief er scheinbar ungläubig aus.
Ich nickte und schaffte es sogar, ein paar Tränen hervorzuquetschen. Dann berichtete ich, wie ich erfahren hatte, dass die Apollo-Büste ein Original des berühmten Praxiteles war. Auch die vielen Statuen und Vasen erwähnte ich, die ich in Ashton Hall vorgefunden hatte. „Und dann“, schloss ich, „habe ich in Philips Tagebüchern, die ich nur gelesen habe, weil er mir so sehr fehlte, Hinweise auf seine Kontakte zur Unterwelt gefunden.“
„Vielleicht haben Sie das, was er geschrieben hat, missverstanden.“
„Nein. Er hat mehrfach betont, dass er alles tun würde, um ein bestimmtes Kunstwerk in seinen Besitz zu bringen. Auch erwähnt er, dass von manchen antiken Stücken Kopien angefertigt wurden. Anscheinend sind die dann gegen das Original im British Museum ausgetauscht worden, sodass niemandem der Diebstahl auffiel.“
„Wollen Sie mir dieses Tagebuch nicht zeigen? Wir könnten die entsprechenden Passagen noch einmal gemeinsam lesen. Vielleicht ist alles gar nicht so schlimm, wie es Ihnen jetzt vorkommt.“
„Das ist ganz unmöglich!“
„Liebste Emily, Sie können mir vertrauen! Wo ist das Tagebuch?“
„Ich weiß, es war falsch … Ich hätte das nicht tun sollen. Aber ich war so verzweifelt. Nach allem, was ich durchgemacht habe, könnte ich nicht auch noch einen Skandal ertragen. Ich habe es verbrannt.“
„Mein liebes Kind!“ Fürsorglich legte er mir den Arm um die Schulter. Es gelang ihm tatsächlich, eine bekümmerte Miene aufzusetzen. Doch in seinen Augen glimmte ein Funke, der mir seine wahren Gefühle verriet.
„Am liebsten würde ich die gestohlenen Gegenstände an das Museum zurückgeben“, sagte ich leise. „Damit könnte ich das geschehene Unrecht zumindest zum Teil wiedergutmachen. Aber wie soll ich vorgehen, damit niemand auf Philips Verbrechen aufmerksam wird? Außerdem …“ Wieder knabberte ich an meiner Unterlippe. „Außerdem bin ich vielleicht gar kein so rechtschaffener Mensch, wie ich immer geglaubt habe. Wenn die Angestellten des Museums eine Kopie nicht von einem Original unterscheiden können, wofür brauchen Sie dann die Originale?“
Andrew begann zu lachen. „Sie sind wirklich köstlich, Emily! Sie böses, böses Mädchen! Darf ich Ihnen nun auch ein Geständnis machen?“
Ich erschrak. Was wollte er mir anvertrauen?
„Kurz bevor Sie Philip heirateten, erfuhr ich, dass er in Kunstdiebstähle verwickelt war. Ich hielt es für meine Pflicht, ihn darauf anzusprechen, tat es allerdings erst, als wir in Afrika waren. Es war an dem Morgen, ehe er krank wurde. Er reagierte zuerst verärgert, dann zerknirscht und schließlich sehr niedergedrückt. Er wusste natürlich, dass ich ihn niemals verraten würde. Aber ich hatte ihm klargemacht, welche Folgen seine Handlungen für Sie, Emily, haben könnten.“
„Oh …“, murmelte ich.
„Als Hargreaves uns später mitteilte, dass Philip gestorben war, machte ich mir Vorwürfe, weil ich fürchtete, er … er könne sich etwas angetan haben.“
„Wie schrecklich für Sie! Aber Sie trifft natürlich keine Schuld, ganz gleich, was Philip auch unternommen hat.“ Während ich Andrew mit gespieltem Mitgefühl anschaute, fragte
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