Todes Kuss
Pferd darstellte.
„Ich selbst kann mich nicht von einem einzigen Teil meiner Sammlung trennen“, fuhr mein Tischnachbar fort. „Allerdings bin ich durchaus bereit, die Kunstwerke ernsthaften Forschern zugänglich zu machen.“
„Denken Sie auch an all die anderen, die gar kein Interesse an der Antike entwickeln würden, wenn sie im Museum keine griechischen Ausstellungsstücke vorfänden!“
Entschieden schüttelte er den Kopf. „Es gibt genug Objekte für die Museen und für private Sammler wie mich. Hat Ihr Gemahl Ihnen gegenüber vielleicht einmal erwähnt, ob er die Apollo-Büste gefunden hat?“
„Ein Werk von Praxiteles?“ Ich war stolz darauf, inzwischen so viel über die Künstler des alten Griechenland zu wissen, dass ich derartige Bemerkungen machen konnte.
„Ja.“ Fournier nickte eifrig. „Dann hat er die Büste also wirklich erstanden? Ein wunderschönes Stück! Wenn Sie es jemals verkaufen wollen, Lady Ashton, geben Sie mir bitte unbedingt Bescheid.“
„Ich weiß nicht einmal, ob er die Büste entdeckt und gekauft hat“, sagte ich, gab dem Franzosen seinen Ring zurück und wandte meine Aufmerksamkeit wieder Andrew Palmer zu.
6. Mai 1887, Berkeley Square, London
Habe kaum Zeit, meinen Studien nachzugehen, und das trotz meines Entschlusses, nur jeweils eine von fünf Einladungen anzunehmen. Konnte immerhin ein wenig lesen, zum Beispiel das, was John Sheffield, Duke of Buckingham, über Homer geschrieben hat: Das Werk des großen Griechen ließe alle späteren Dichtungen oberflächlich und schal erscheinen. Ganz meine Meinung!
Traf heute Vormittag Lady Emily Bromley im Hyde Park. Sie beherrschte ihre Stute hervorragend. Wer so zu Pferd sitzt, reitet bestimmt auch gern bei der Jagd mit.
8. KAPITEL
„Du magst ihn mehr, als ich gedacht hätte“, stellte Ivy fest, nachdem sie einen Schluck Tee getrunken hatte.
„Er ist amüsant.“
„Er ist unkonventionell. Nun gut, es ist nichts dagegen einzuwenden, dass er dir diesen Theaterbesuch vorgeschlagen hat. Aber was er über Philip sagte … Es war wirklich ein wenig taktlos, findest du nicht?“
„Im Gegensatz zu anderen hat er sich nicht krampfhaft bemüht, mir Mitgefühl vorzuheucheln. Tatsächlich ist er seit Jahren der Erste, der mich darin unterstützt, mein Leben wieder zu genießen.“
„O Emily, du tust deinen Freunden Unrecht! Wir alle möchten, dass es dir gut geht. Ich persönlich teile sogar deine Abneigung gegen die viel zu strengen gesellschaftlichen Regeln für Witwen. Allerdings finde ich, dass Andrew Palmer sich allzu leichtfertig über manche Konventionen hinwegsetzt.“
„Er nimmt eben kein Blatt vor den Mund.“
„Wenn Colin Hargreaves so offen mit dir spricht, machst du ihm das zum Vorwurf.“
„Weil es um völlig andere Dinge geht! Palmer möchte, dass ich meinen Horizont erweitere. Hargreaves hingegen möchte mich in einen Käfig sperren.“
Ivy schüttelte den Kopf, sagte aber nur: „Ich verstehe, dass du Palmer interessant findest.“
„Er holt mich gleich zu einer Ausfahrt in den Bois de Boulogne ab.“
„Dann sollte ich mich euch wohl als Anstandsdame anschließen“, neckte meine Freundin mich. „Denn deine Zofe hat ja heute ihren freien Tag.“
„Als Witwe brauche ich zum Glück keine Begleiterin“, erwiderte ich, während ich den Blick zur Tür wandte, weil es in diesem Augenblick geklopft hatte.
Margaret Seward trat ein, begrüßte uns mit einem strahlenden Lächeln und legte einen Stapel Bücher auf den Tisch.
„Ich freue mich, Sie zu sehen, Miss Seward!“, rief Ivy.
„Bitte, nennen Sie mich doch Margaret. Ich würde es nämlich vorziehen, Sie nicht mit Mrs Brandon ansprechen zu müssen.“
Lachend kamen die beiden überein, ab sofort auf alle Formalitäten zu verzichten.
„Ich habe eine griechische Grammatik, mehrere Werke über die Geschichte des alten Griechenlands und auch ein paar philosophische Schriften mitgebracht“, erklärte Margaret. „Und hier, Emily, finden Sie Zusammenfassungen von verschiedenen Vorträgen über die Antike, die ich in letzter Zeit besucht habe.“
Ich bedankte mich herzlich und bot Margaret eine Tasse Tee an.
„Wahrscheinlich werden Sie in Ihrer Bibliothek in London die meisten dieser Bücher vorfinden. Trotzdem ziehen Sie es vielleicht vor, mit meinen zu arbeiten. Ich habe nämlich die Angewohnheit, alle möglichen Anmerkungen an den Rand zu schreiben.“
„Am liebsten würde ich mir all diese Werke gleich einmal anschauen“, meinte
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