Todesacker
sich seine Mitarbeiter am Sammelpunkt um ihn scharten, wischte er sich die Nässe aus dem Gesicht und zeigte dabei kurz die weiße Narbe, die sich über die mittleren Knöchel seiner Finger zog.
»Nun, wie einige von Ihnen bereits wissen«, sagte er, »lag diese Leiche mindestens ein Jahr unter der Erde.«
»Dann brauchen wir uns also nicht so zu beeilen, wenn der Fall schon so alt ist, Sir?«, fragte jemand.
»Nun … ich möchte das niemanden öffentlich sagen hören. Aber es bedeutet, dass wir dem Anthropologen und den Kriminaltechnikern noch etwas mehr Zeit bei ihrer Arbeit geben können und dass wir die Weihnachtsgans nicht kalt werden lassen müssen.«
Es ertönten ein paar halbherzige Beifallrufe, doch die Erleichterung war spürbar.
Hitchens quittierte die Reaktion mit einem leichten Lächeln. »In der Zwischenzeit sind ein paar Routinemaßnahmen erforderlich, um sicherzustellen, dass wir nichts übersehen. Falls wir später eine Morduntersuchung einleiten müssen, möchte ich nicht hören, dass uns im Anfangsstadium wichtiges Beweismaterial entgangen ist, weil es jemand zu eilig hatte, seine Weihnachtseinkäufe zu erledigen. Verstanden?«
»Ja, Sir.«
»Zunächst einmal benötigen wir Informationen über sämtliche Arbeiter – über jeden, der sich auf dieser Baustelle aufgehalten hat. Namen und Adressen, Geburtsdaten – Sie wissen ja, wie der Laden läuft. Anschließend können wir sie in den Police National Computer eingeben, wenn nötig.«
»Was ist mit ihrem Status?«, fragte Fry.
»Status?«
»Ich habe mir überlegt, ob einige von ihnen vielleicht Probleme mit ihrer Aufenthaltsgenehmigung haben. Sie wissen ja, wie schwierig es ist, jemandem Informationen zu entlocken, der Angst davor hat verhaftet oder abgeschoben zu werden.«
»Hat mir nicht jemand gesagt, sie wären alle Polen?«, sagte Hitchens. »Polen haben keine Probleme mit ihrer Aufenthaltsgenehmigung – sie gehören zur EU, also können sie kommen und gehen, wann sie wollen, und eine Arbeitserlaubnis brauchen sie auch nicht.«
Murfin hob die Hand und genoss es sichtlich, ausnahmsweise einmal derjenige zu sein, der die Antworten parat hatte. »Offenbar arbeiten die meisten von ihnen für eine Agentur, die sie immer dorthin schickt, wo gerade Arbeitskräfte benötigt werden. Das bedeutet, dass sie keinen festen Wohnsitz haben, Sir. Sie wohnen in provisorischen Unterkünften, in Pensionen, in Wohnwagen – was gerade zur Verfügung steht. Sie sagen, dass es sich lohnt, weil sie ungefähr das Doppelte des Mindestlohns verdienen, genug, um Geld nach Hause zu schicken, wenn ihre Familie nicht in diesem Land ist.«
Fry warf einen Blick auf die kleine Gruppe von Bauarbeitern mit ihren Sicherheitsschuhen und ihren gelben Helmen. »Wir vermuten nur, dass sie alle Polen sind. Der Polier ist Pole, aber bei den anderen haben wir es noch nicht überprüft, also könnten wir durchaus noch ein paar Überraschungen erleben.«
»Sagen Sie mir jetzt nicht, dass wir uns Dolmetscher suchen müssen«, entgegnete Hitchens. »An Weihnachten? Allein die Übersetzung ihrer Aussagen könnte Wochen dauern.«
»Na ja, vielleicht brauchen wir die gar nicht.«
»Stimmt, da haben Sie recht, Detective Sergeant Fry. Lassen Sie uns Prioritäten setzen, ja? Wir kümmern uns um den Polier und um den Burschen, der die Leiche gefunden hat. Wie heißt er gleich wieder?«
»Jamie Ward.«
»Jamie Ward, genau. Die Übrigen können warten, sofern wir wissen, wo wir sie finden. Bis dahin müssen wir so viel wie möglich über die Leute herausfinden, die hier gewohnt haben. Über die Brüder Raymond und Derek Sutton und über alle, die etwas mit ihnen zu tun hatten. Ich werde mich heute Nachmittag selbst mit dem Bruder unterhalten, der noch lebt, sobald wir herausgefunden haben, in welchem Pflegeheim er untergebracht ist. Irgendwo da drüben liegt eine Ortschaft namens Rakedale. Wir fangen dort morgen früh damit an, von Haus zu Haus zu gehen und die Bewohner zu befragen. Sind alle damit einverstanden?«
Es war zustimmendes Murmeln zu hören, und Unruhe kam auf. Inzwischen konnten es alle kaum erwarten, fertig zu werden und nach Hause gehen zu können.
Nachdem sich die behelfsmäßige Versammlung aufgelöst hatte, fiel Cooper in Gleichschritt mit Fry. Ihre Schuhe schmatzten im Schlamm, als sie von der äußeren Absperrung zu ihren Autos zurückgingen.
»Was meinst du, Diane? Müssen wir alle Bauarbeiter befragen?«
»Hoffentlich nicht.«
Die Arbeiter, die den
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