Todesacker
Der alte Mann zog abrupt den Arm weg und starrte Hitchens empört an.
»Moment mal, junger Mann. Nehmen Sie Ihre Hände von mir weg, oder ich lasse die Polizei rufen.«
»Mr Sutton. Ich fürchte, wir müssen Ihnen ein paar Fragen stellen, Sir. Heute Vormittag wurden auf der Pity Wood Farm die sterblichen Überreste eines Menschen gefunden. Die Leiche einer Frau. Wir müssen herausfinden, wie es dazu gekommen ist, dass diese Person auf Ihrer Farm begraben wurde.«
»Fragen? Tja, das können Sie schon versuchen. Öffnen Sie das Scheunentor, dann finden Sie vielleicht eine Kuh.«
Hitchens öffnete den Mund, schloss ihn aber schnell wieder, als habe er soeben die Kuh gefunden und wollte verhindern, dass sie wieder entkam.
Sie ließen Mr Sutton allein im Aufenthaltsraum zurück und suchten die Pflegerin, die sie ins Oaks-Pflegeheim eingelassen hatte.
»Tut mir leid, wenn Sie nicht viel Erfolg hatten, Inspector«, sagte sie. »Raymond hat gute Tage und schlechte Tage. Sie würden sich wundern, an wie viel er sich manchmal erinnern kann. Sein Gedächtnis ist noch ziemlich gut. Hin und wieder ist er allerdings ein bisschen, na ja... verwirrt, ja sogar verzweifelt. Das ist in seinem Zustand vollkommen normal, aber man kann nie genau sagen, was ihn bekümmert. Erinnerungen, vermute ich.«
»Wäre es möglich, ihn für ein paar Stunden von hier mitzunehmen, wenn er einen guten Tag hat?«, erkundigte sich Hitchens. »Wir hätten gerne, dass er uns begleitet und die Farm in Augenschein nimmt.«
»Sein ehemaliges Zuhause? Oh, ich bin sicher, darüber würde sich Raymond sehr freuen.«
»Ich gehe davon aus, dass er dafür körperlich fit genug ist, oder?«
»Oh, ja. Er hat für sein Alter keine größeren gesundheitlichen Probleme. Der Arzt sagt, Raymond ist ein ziemlich zäher alter Knabe. Wahrscheinlich wird er in zehn Jahren immer noch hier sein, wenn von unseren anderen Bewohnern keiner mehr unter uns ist. Ich nehme an, das liegt daran, dass er Farmer war.«
»Und bestimmt auch an der wunderbaren Betreuung, die er hier bekommt.«
»Oh, vielen Dank, Inspector.«
Hitchens nickte und setzte sein charmantestes Lächeln auf. Cooper konnte es sich nicht verkneifen, eine Augenbraue hochzuziehen. Er persönlich war der Meinung, dass Raymond Sutton sich ganz und gar nicht über einen Tagesausflug zur Pity Wood Farm freuen würde, aber vielleicht täuschte er sich auch, was das betraf.
»Ja, wenn das Wetter mitspielt, stellen wir einen Rollstuhl in den Kleinbus, und Colin fährt Raymond nach Rakedale, damit er die Farm besuchen kann. Aber Sie werden ihn doch nicht überfordern, oder?«
»Ganz bestimmt nicht. Wir schicken ihn sofort wieder zurück, wenn er nicht mehr will.«
»Gut, Inspector. Können wir Sie anrufen, wenn wir denken, dass er bereit ist?«
Der Detective Inspector holte eine Visitenkarte hervor und überreichte sie mit einer Geste, die beinahe einer kleinen Verbeugung glich. Cooper verspürte einen leichten Würgereiz, obwohl Hitchens Charme nicht ihm galt.
»Sir«, sagte Cooper, als sie gingen, »denken Sie, Raymond Sutton weiß, wer die Leiche auf der Farm vergraben hat?«
»Da bin ich mir fast sicher.«
»Könnte er in Gefahr sein? Ob vielleicht irgendjemand sichergehen möchte, dass Mr Sutton nichts verrät?«
»Schon möglich. Aber wie sollte jemand im Oaks-Pflegeheim an ihn herankommen? Die Sicherheitsvorkehrungen sind ziemlich gut, und das Personal weiß bei allen Bewohnern rund um die Uhr genau Bescheid, wo sie sich aufhalten.«
»Hoffentlich haben Sie recht«, erwiderte Cooper.
Nikolai Dudzik schob sich fluchend seinen gelben Bauhelm aus der Stirn. »Sehen Sie sich die Nebengebäude an. Alle Dächer sind morsch. Völlig morsch. Sie müssen alle abgedeckt werden, wissen Sie. Allein für die Dachstühle brauchen wir Unmengen von Balken.«
Fry sah, dass Dudziks Arbeiter hinter der Scheune ein Labyrinth von Gräben für die neuen Wasser- und Abflussleitungen ausgehoben hatten. Bislang waren noch keine Rohre verlegt worden – diese lagen noch in Stapeln am Rand des Feldes. Doch die Gräben waren dank des Regens, der auch weiterhin mit nur kurzen Unterbrechungen auf die Pity Wood Farm fiel, halb voll mit Wasser. Sie sah, dass der Lehm offenbar wasserundurchlässig war. Weiter nördlich hätte der Kalkstein das Regenwasser durchgelassen wie ein Sieb. Das war einer der geologischen Fakten, die sie gelernt hatte, seit sie von Birmingham in den Peak District umgesiedelt war.
»Angeblich
Weitere Kostenlose Bücher