Todesakt: Thriller (German Edition)
gar nicht. Ich will nur nicht in die Mühlen des Systems geraten.«
»Warum dann die Waffe auf dem Tresen?«
Wortlos zuckte er die Achseln und trank einen kräftigen Schluck Bourbon.
»Weshalb hatte Bosco die Überwachungsvideos bei sich zu Hause?«
»Sie sind ziemlich neugierig, Lena Gamble.«
Sie bedachte ihn mit einem auffordernden Blick.
»Wegen unserer Kundschaft«, antwortete er schließlich. »Weil es Promis sind. Deshalb müssen wir aufzeichnen, was in den öffentlich zugänglichen Bereichen des Clubs geschieht. Damit uns niemand was am Zeug flicken kann. Johnny hat Sicherheitskopien anfertigen und sie an einen anderen Ort schaffen lassen, nur für den Fall, dass hier etwas passiert. Ein Feuer zum Beispiel oder wieder ein Erdbeben. Wahrscheinlich wäre es besser gewesen, die DVDs in einen Banksafe zu stecken, aber das hat er nicht getan.«
»Higgins hat die letzten anderthalb Jahre kontrolliert.«
Escabar sah sie verständnislos an.
»Enthalten die DVDs in Boscos Haus die vollständigen Aufzeichnungen?«
»Dafür war Johnny zuständig, nicht ich.«
»Aber es ist alles hier, richtig?«
»Klar«, entgegnete er. »Worauf wollen Sie hinaus?«
»Nur zwei Fragen«, gab sie zurück. »Zwei ungeklärte Punkte. Sie haben Ihren Partner geachtet und bewundert. Als Sie ihm begegnet sind, hat sich Ihr Leben verändert. Er hat Ihnen einen Job gegeben. Johnny Bosco war überlebensgroß, ein Erfolgsmensch, wie nur L. A. ihn hervorbringen konnte. Der Geschäftsführer eines Clubs für die Leute, die in der Branche einen Namen haben. Eines exklusiven Clubs, wo sich einflussreiche Menschen trafen. Warum also hätte er seine Mitgliedschaft in diesen illustren Kreisen riskieren sollen, um Jacob Gant zu helfen, obwohl die ganze Stadt der Ansicht war, dass er Lily Hight ermordet hat und ungestraft davongekommen ist? Welchen Grund hatte Johnny Bosco, Jacob Gant zu unterstützen, wenn der Staatsanwalt und alle anderen am Prozess beteiligten Personen wie Idioten dagestanden wären? Sie sagen, zwischen Bosco und Higgins habe nur eine Zweckfreundschaft bestanden. Vielleicht waren sie ja auch aufeinander angewiesen. Da es um Gant und den Tod eines jungen Mädchens ging, hätte sich Higgins öffentlich bis auf die Knochen blamiert. Also verraten Sie mir eines: Warum war Ihr Partner bereit, sich so weit aus dem Fenster zu hängen?«
Escabar schwieg und schien angestrengt zu überlegen. »Wollen Sie behaupten, dass Gant das Mädchen nicht umgebracht hat?«, fragte er schließlich. »Und dass Johnny das wusste?«
Lena nickte langsam. Aus Escabars Miene schloss sie, dass er das zum ersten Mal hörte, denn er schien vor Schreck wie vom Donner gerührt. Er überlegte. Bis zum nächsten logischen Schritt.
Wenn Johnny Bosco von Jacob Gants Unschuld gewusst hatte, dann auch der Staatsanwalt.
»Was kann ich für Sie tun?«, fragte er.
»Vermutlich werden die Überwachungsbänder, die wir heute gefunden haben, eine Weile in irgendeiner Behörde herumliegen. Ich muss sie mir anschauen. Vielleicht bringt es ja nichts, vielleicht ist es aber auch aufschlussreich. Oder sogar bahnbrechend. Sie sind jeden Abend hier und kennen die Beteiligten besser als ich. Ich würde mich freuen, wenn Sie sich die Aufnahmen anschauen und sie mir erklären. Vermutlich sagen sie Ihnen mehr als mir.«
»Soll ich etwa vor anderthalb Jahren anfangen?«
»Mich interessiert eher der Monat vor Lily Hights Tod. Danach können Sie sich natürlich gern mit den gesamten achtzehn Monaten beschäftigen. Aber es ist wichtig, dass Sie sich beeilen.«
»Ich verstehe«, antwortete er. »Ich mache es für Johnny.«
Er leerte sein Glas, und Lena merkte ihm an, dass ihm noch immer etwas im Kopf herumging. Als sie sein Gesicht betrachtete, war sie nicht sicher, ob sie ihm trauen konnte. Außerdem glaubte sie, dass er ihr in Sachen Higgins noch immer etwas verschwieg. Aber dann vibrierte das Mobiltelefon in ihrer Tasche. Es war nach elf, und sie erkannte den Namen ihres Vorgesetzten auf dem Display. Etwas sagte ihr, dass Barrera nicht anrief, um sich nach ihrem Befinden zu erkundigen.
»Alles in Ordnung?«, fragte Barrera.
Sein Tonfall klang neutral. Sie konnte ihn nicht deuten.
»Bestens«, erwiderte sie.
»Sie müssen herkommen, Lena. Wir schieben hier eine Nachtschicht. Fünfter Stock, Ramseys Büro.«
»Bin schon unterwegs.«
»Gut«, entgegnete er. »Je früher, desto besser.«
35
Ramseys Tür stand offen. Die Deckenbeleuchtung war ausgeschaltet, sodass nur
Weitere Kostenlose Bücher