Todesakt: Thriller (German Edition)
Allerdings wusste sie, dass man es ihr nicht anmerkte. Ihre Stimme zitterte nicht, und ihre Hände waren ruhig. Sie wandte sich an Spadell, der ihr einen zu stillen Eindruck machte. Er fixierte sie, sein Blick hatte etwas Teuflisches. Aus der Nähe betrachtet war er ziemlich bedrohlich – ein Knochenbrecher.
»Ist Ihnen klar, was Sie sich da anmaßen?«, empörte sich Higgins, bebend vor Zorn. »Wissen Sie nicht, wer ich bin?«
Lena wies wieder mit der .45er auf ihn. Spadell ließ sie nicht aus den Augen.
»Wir tun, was die Frau sagt, Jimmy. Lass uns reingehen und reden.«
Immer noch in seiner Ehre gekränkt, zögerte Higgins und dachte offenbar über einen Ausweg nach. Doch schließlich ging er zum Haus zurück. Spadell folgte ihm, während Lena einen Sicherheitsabstand hielt. Sie traten durch die Schiebetür ins Wohnzimmer. Nachdem Lena Licht gemacht hatte, winkte sie die beiden zum Kamin.
»Okay. Und jetzt legen Sie beide Hände auf den Sims und machen zwei Schritte rückwärts.«
»Ich bin der Oberstaatsanwalt, Sie miese kleine Schlampe.«
»Ich weiß genau, wer Sie sind«, entgegnete sie. »Und jetzt die Hände auf den Kamin und dann zurück.«
Spadell warf Higgins einen Blick zu.
»Tu, was sie sagt, Jimmy. Tu es einfach.«
Die beiden Männer umfassten den Kaminsims und gingen rückwärts, bis ihre Oberkörper einen Winkel von fünfundvierzig Grad zum Boden bildeten. Um Higgins machte Lena sich keine großen Sorgen, doch sie wusste, dass Spadell eine Waffe hatte, weshalb sie ihn zuerst durchsuchte. Tatsächlich fand sie eine Pistole in einem Halfter unter seiner Jacke, eine alte, scheinbar nicht registrierte .38er.
»Ist das Ding angemeldet?«, fragte sie.
Spadell schüttelte den Kopf.
»Weiß ich nicht mehr.«
»Das habe ich mir fast gedacht.«
Er blickte sich um und zwinkerte ihr zu. Lena steckte den Revolver ein, tastete den Mann rasch ab und warf seine Schlüssel und die Brieftasche auf den Boden. Als sie auf ein Etui mit Dietrichen stieß, verstaute sie es bei Spadells Waffe in ihrer Tasche. Dann wandte sie sich Higgins zu. Sie nahm sich einen Moment Zeit, ehe sie ihn durchsuchte, damit er ihr ihren Widerwillen nicht anmerkte. Higgins kochte noch immer vor Wut. Er hatte ein hochrotes Gesicht, und sein Hals quoll ihm aus dem Hemdkragen wie ein Heißluftballon, der gerade aufgeblasen wird.
»Was wollten Sie hier?«, fragte sie.
»Fick dich«, zischte Higgins.
Lena schob den Lauf ihrer .45er zwischen seine Beine, stupste ihn mit der Mündung an die Eier und beobachtete seine Reaktion. Sie verstand ihr Verhalten selbst nicht und auch nicht das Gefühl, das es in ihr auslöste.
»Was wollten Sie hier?«, wiederholte sie.
»Bosco war mein Freund«, erwiderte Higgins hasserfüllt. »Ich habe etwas hier vergessen. Wir haben es gesucht.«
Lena warf einen Blick auf das durchwühlte Zimmer.
»Ach, wirklich?«, höhnte sie. »Und haben Sie es gefunden?«
Higgins brachte vor Zorn keinen Ton heraus und schüttelte nur den Kopf.
»Was genau haben Sie denn gesucht?«
»Persönliche Sachen«, entgegnete er. »Das geht Sie einen Scheißdreck an.«
»Sind Sie mit einem Schlüssel ins Haus gekommen?«
»Natürlich hatten wir einen Schlüssel.«
»Wo ist er?«
»Ich glaube, ich habe ihn auf das Tischchen neben der Tür gelegt.«
Lenas lächelte kühl.
»Das hätte ich wohl auch getan«, erwiderte sie. »Nur dass es hier neben der Tür kein Tischchen gibt.«
»Dann ist er mir vielleicht im Garten aus der Tasche gefallen.«
»Kann auch sein«, antwortete sie. »Er ist Ihnen aus der Tasche gefallen, als Sie weggelaufen sind. Warum sind Sie denn eigentlich weggelaufen, obwohl Sie einen Schlüssel hatten?«
»Ich habe keine Ahnung, verdammt«, stammelte Higgins.
»Ja, stimmt. Sie haben nicht die leiseste Ahnung.«
Lena hatte Brieftasche und Schlüssel bereits auf den Boden geworfen, ertastete im nächsten Moment jedoch eine dicke Rolle Geldscheine in Higgins’ Tasche. Als sie das Geld herausnahm, zuckte der Staatsanwalt leicht zusammen. Druckfrische Einhundertdollarscheine, dieselben Scheine hatte Johnny Bosco bei sich gehabt, als eine Kugel im Rücken seinem Leben ein Ende bereitete. Lena zählte das Geld hastig: Higgins trug fünf Riesen mit sich spazieren.
Verwundert über diesen Fund, verzog sie das Gesicht und klappte als Nächstes Higgins’ Brieftasche auf: drei Zwanziger, zwei Fünfer und zehn Eindollarscheine. Es war nicht weiter schwer, sich einen Reim darauf zu machen: Der
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