Todesakt: Thriller (German Edition)
Vergessenheit.«
Lena ahnte, was nun kam. Sie konnte es an Browns Gesicht ablesen.
»Nur dass es doch nicht in Vergessenheit geriet«, sagte sie leise. »Nach dem Prozess und der Wahl hat Bennett sich wieder gemeldet und Ihrem Bruder eröffnet, dass es noch längst nicht vorbei ist.«
Brown nickte. Er ließ den Kopf hängen und wischte sich, überwältigt von Erinnerungen, die Augen ab. Als er weitersprach, zitterte seine leise Stimme vor Trauer.
»Es passierte gleich am nächsten Tag«, fuhr er fort. »Sie haben gewartet, bis es auch wirklich jeder mitbekam. Bennett hat einen Bullen zu uns geschickt. Und als der Bulle Wes sah, hat er ihn dämlich angegrinst, salutiert, wie um sich bei ihm zu bedanken, und ist wieder weggefahren. Zwei Stunden später saß Wes hier, wo ich jetzt sitze, und tat das, was ihm am meisten Spaß gemacht hat, nämlich Schach spielen. Meine Mom und ich glauben, dass er nichts gemerkt hat. Mein kleiner Bruder hatte noch eine Schachfigur in der Hand und wollte gerade ziehen, als die ihn einfach abgeknallt haben.«
Brown ließ die Zigarette ins Gras fallen und unternahm keine Anstalten, sie aufzuheben. Sein Blick war nach innen gerichtet und verlor sich in der Vergangenheit.
»Hat Bennett je wieder angerufen?«
Brown schüttelte den Kopf.
»Nein, nie mehr. Doch im letzten Jahr habe ich ihn im Club 3 AM gesehen. Hin und wieder gehe ich hin, und er ist manchmal auch da. Keine Ahnung, warum ein Typ wie Bennet da reinkommt. Jedenfalls hat er es irgendwie geschafft. Er saß immer da und gaffte, als lege er es regelrecht darauf an, dass ich ihn erkenne. So, als könnte ihm niemand was anhaben. Diese grünen Augen. Ein Freund von mir, der im Irak gedient hat, hat sie als Wüstenaugen bezeichnet … Schlangenaugen. Sie bewegen sich weder, noch blinzeln sie. Sie durchbohren einen nur eiskalt.«
»Ist das alles, was Sie dort beobachtet haben?«
»Ich habe mitgekriegt, wie er versucht hat, Mädchen anzubaggern«, erwiderte er. »Doch die haben den kleinen Schleimer nur kurz angeschaut und laut gelacht. Nach einer Weile ist er nicht mehr aufgekreuzt. Vielleicht hat Johnny Bosco ihn ja zum Teufel gejagt. Ich habe Bosco mehr als einmal drum gebeten.«
Lena kramte eine Zigarette aus der Tasche. Da ihr die Sonne in die Augen schien, setzte sie sich neben Brown auf die andere Seite des Tisches in den Schatten. Dann schaute sie zu der Brachfläche hinüber.
Da es Bennett nicht gelungen war, einen Augenzeugen so unter Druck zu setzen, dass er sein Leben riskierte, hatte er ihn verraten und ermorden lassen. Offenbar hatte der Mann ein Lebensmotto. Eine Methode, nach der er immer vorging. War das die Antwort auf die Frage, warum ausgerechnet diese Pistole benutzt worden war?
49
Lena fuhr die Avenue of the Ghosts entlang, war jedoch in Gedanken schon zwanzig Kilometer weiter, sodass sie die jugendlichen Strichmännchen nicht wahrnahm.
Sie wollte nichts überstürzen, nicht zulassen, dass ihre Fantasie die Tatsachen zurechtbog, und sich auch nicht zu früh freuen. Zuerst musste sie Debi Watson erreichen. Sie musste die Frau zum Reden bringen.
Allerdings hatte sie inzwischen ein mulmiges Gefühl.
Nach ihrem Treffen mit Brown hatte Lena versucht, Watson im Büro anzurufen, jedoch von ihrer Sekretärin erfahren, die Staatsanwältin sei heute nicht zur Arbeit erschienen. Als Lena nachhakte, erwiderte die junge Frau, Watson habe sich nicht krankgemeldet und gehe weder mobil noch zu Hause ans Telefon. Da die Sekretärin sich Sorgen machte, hatte sie Lena die Adresse im Norwich Drive in West Hollywood gegeben.
Ehe die Furcht Besitz von ihr ergreifen konnte, bog Lena scharf rechts ab, beschleunigte und fuhr in Richtung Venice Boulevard. Die ganze Zeit wartete sie darauf, dass Cobb endlich abnahm. Zwei Straßen weiter meldete er sich endlich.
»Woher haben Sie die Scheißnummer?«, fragte er.
»Sie sind Polizist, Cobb, Sie stehen im Telefonverzeichnis. Und jetzt verraten Sie mir mal, warum Sie mir verheimlicht haben, was Bennett mit Wes Brown gemacht hat.«
Cobb schwieg so lange, dass Lena schon glaubte, ihr Telefon hätte den Geist aufgegeben. Sie überprüfte den Akku und den Empfang. Nach einer Weile stand die Verbindung wieder.
»Die Neun-Millimeter Smith wurde in einem Fall vor acht Jahren benutzt, Cobb. Bennett hat Ihren Augenzeugen umbringen lassen. Warum haben Sie mir nichts davon gesagt?«
»Weil ich nicht sicher bin, was es zu bedeuten hat«, antwortete er.
Er sprach absichtlich leise, was
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