Todesakt: Thriller (German Edition)
gehandelt hatte, wie es von einem Vater zu erwarten war …
»Alles in Ordnung?«
Als Lena sich umdrehte, sah sie Rhodes hereinkommen. Sie versuchte zu antworten, doch ihre Stimme klang belegt und heiser.
»Das Gleiche wollte ich dich auch fragen.«
Er zuckte nur wortlos die Achseln und durchquerte den dämmrigen Raum, um aus dem Fenster zu spähen. Die Reporter brüllten noch immer die Polizisten an, die sie in Schach zu halten versuchten. Nach einer Weile kehrte Rhodes zum Tresen zurück.
»Barrera hat mich gebeten, dem Leichenbeschauer den Weg zu zeigen, wenn er ankommt«, erklärte er.
»Wen haben sie angerufen? Wer war der Glückspilz?«
Rhodes warf ihr einen Seitenblick zu.
»Außer dir, meinst du?«
Sie nickte.
»Ed Gainer«, erwiderte er.
»Tja, das Treppensteigen wird ihm gar nicht gefallen.«
»Richtig, Eddie steigt nicht gerne Treppen.«
Rhodes griff nach dem Zigarettenpäckchen, entdeckte neben einem Tablett voller heruntergebrannter Kerzen ein Feuerzeug und zündete sich eine an. Als er sie Lena reichen wollte, schüttelte diese den Kopf. Sie rauchten eigentlich beide nicht. Und obwohl sich die heutige Nacht mit Fug und Recht als Krise bezeichnen ließ, hatte Lena keine Lust mehr darauf. Stattdessen betrachtete sie die x-förmige Narbe an Rhodes linkem Ohrläppchen, die ihr so gut gefiel. Er trug sein braunes Haar wieder kurz, und seine Figur war vom täglichen Joggen rund um das Hollywood Reservoir durchtrainiert. Er sah gut aus. Die Schusswunde in der linken Schulter, die er sich vor einigen Jahren eingefangen hatte, war inzwischen längst Geschichte und meldete sich nur noch bei Regenwetter.
Rhodes holte sich hinter dem Tresen einen Teller, den er als Aschenbecher benutzte.
»Wahrscheinlich hat Hight sich so lange wie möglich zusammengerissen. Ich habe ihn zwar nie persönlich kennengelernt, doch beim Prozess wirkte er recht gefasst. Vielleicht ein bisschen angeschlagen, aber in Ordnung.«
Lena nickte anstelle einer Antwort. Niemand in ihrer Abteilung war Tim Hight je begegnet, da die örtliche Polizei in Westside wegen des Mordes an seiner Tochter ermittelt hatte. Der Fall wurde erst explosiv, nachdem die Staatsanwaltschaft die Familienfotos an die Presse weitergeleitet hatte. Als die Öffentlichkeit Bekanntschaft mit Lily Hight machte, war Jacob Gant bereits verhaftet und von seinem Elternhaus in Venice in eine Einzelzelle im Men’s Central Jail verfrachtet worden.
Rhodes lehnte sich auf der anderen Seite an den Tresen.
»Nach der heutigen Nacht werden die Menschen Tim Hight für einen Helden halten. Sie werden sagen, dass er das zu Ende gebracht hat, woran wir gescheitert sind. Dass er seiner Tochter endlich zu Gerechtigkeit verholfen hat.«
»Er ist kein Held«, flüsterte sie.
»Das spielt keine Rolle, Lena. Sie werden ihn zu einem machen.«
Sie ließ die Worte auf sich wirken.
»Er ist kein Held«, wiederholte sie. »Er hat Gant nicht erschossen und die Waffe weggelegt, um sich den Konsequenzen zu stellen. Derjenige ist hereinspaziert und hat Johnny Bosco zuerst getötet. Er hat ihn in den Rücken geschossen, Stan. Und danach hat er versucht, das Ganze als Raubüberfall hinzustellen, und ist geflohen. Der Mann ist vollkommen durchgedreht.«
»Da stimme ich dir zu, doch das werden die anderen nicht so sehen. Für uns ist es trotzdem vertrackt. Wer die Bösen laufenlassen und die Unschuldigen einknasten will, braucht sich nur vertrauensvoll an die Polizei von Los Angeles zu wenden .«
Lena schwieg, denn sie wusste, dass Rhodes recht hatte. Barrera und Ramsey waren sich vermutlich ebenso darüber im Klaren.
Sie beschloss, sich doch noch eine Zigarette zu gönnen, und streckte die Hand aus, hielt aber inne, als sie im Flur hinter sich Schritte hörten. Etwa zehn Leute eilten zielstrebig auf die Eingangstür zu. Lena erkannte den Stabschef des Bürgermeisters, eine Stadträtin aus Hollywood und Abraham Hernandez, den neuen Assistenten des Polizeichefs von L. A. Lena vermutete, dass sie auf dem Balkon von Boscos Büro getuschelt hatten. Als sie Steven Bennett und Debi Watson bemerkte, stieß sie Rhodes an.
Bennett und Watson waren die Staatsanwälte, die die Anklage gegen Jacob Gant vor Gericht vertreten hatten. Bevor sie von Buddy Paladino im Prozess vor laufenden Fernsehkameras mit direktem Draht ins Internet herunterputzt worden waren, hatten sie als die besten und gewieftesten Mitarbeiter der Staatsanwaltschaft von L. A. gegolten, insbesondere Steven Bennett, den der
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