Todesangst
aufgerichtet im Bett und sog, eine Sauerstoffmaske vor dem Gesicht, flach und hektisch den Atem ein. Sein Gesicht trug schon die unheilverkündende graue Blässe, die Dr. Howard zu fürchten gelernt hatte. Die ihn pflegende Schwester, die gerade die Infusionsschläuche überprüft hatte, richtete sich auf.
»Wie steht’s denn?« fragte Dr. Howard und zwang sich dabei zu einem Lächeln. Aber er hätte nicht zu fragen brauchen. Lennox hob schwach die Hand. Er konnte nicht sprechen; alle seine Anstrengungen waren darauf gerichtet, Luft zu bekommen.
Die Schwester, deren Namensschild sie als Miß Levay, staatlich geprüfte Krankenschwester, auswies, zog den Arzt vom Bett des Patienten weg in die Mitte des Zimmers. »Es scheint nichts anzuschlagen«, meldete sie besorgt. »Trotz unserer Bemühungen steigt der Druck in den Lungenarterien weiter an. Wir haben ihm schon ein Diuretikum, Hydralazin und Nitroprussidnatrium gegeben - ich weiß nicht, was wir noch tun sollen.«
Dr. Howard warf über die Schulter der Schwester einen Blick hinüber zu Lennox, der keuchte wie eine überbeanspruchte Dampflokomotive. Ihm fiel auch nichts mehr ein außer einer Transplantation - und die kam keinesfalls in Frage. Der Mann war ein schwerer Raucher und hatte zweifellos schon ein Emphysem und Herzbeschwerden gehabt. Aber trotzdem hätte er auf die Medikamente ansprechen müssen. Das einzige, was er sich vorstellen konnte, war, daß der vom Herzanfall in Mitleidenschaft gezogene Bereich des Herzens sich ausgeweitet hatte.
»Wir sollten die Herzspezialisten zu einer gemeinsamen Konsultation herbitten. Vielleicht können sie feststellen, inwieweit die Herzkranzgefäße geschädigt sind. Das ist das einzige, was ich mir noch vorstellen kann. Vielleicht kann man ihm mit einem Bypass helfen.«
»Nun ja, das ist immerhin eine Möglichkeit«, meinte die Schwester und ging mit leichtem Zögern in die Zentrale, um dort einen entsprechenden Ausruf zu veranlassen.
Howard kehrte ans Bett von Brian Lennox zurück, um ihn wenigstens seine Anteilnahme spüren zu lassen. Er wünschte, er könnte ihm noch etwas zu seiner Erleichterung geben, aber ein Diuretikum zum Flüssigkeitsentzug hatte er schon erhalten und ebenso Hydralazin und Nitroprussidnatrium zur Gefäßerweiterung. All dies hätte schon dazu führen müssen, den Arbeitsaufwand des Herzens zum Durchpumpen des Blutes zu vermindern. Es hätte zur Heilung des Herzens von den Schäden des Herzanfalls beitragen müssen. Aber es schlug nicht an. Mit Lennox ging es trotz aller Bemühungen und allen medizintechnischen Aufwands bergab. Seine Augen waren eingesunken und wirkten glasig.
Dr. Howard legte seinem Patienten die Hand auf die Stirn und wischte ihm den Schweiß von den Brauen. Zu seinem Schrecken blieben ihm Brauenhaare an der Hand kleben. Einen Augenblick lang starrte er sie verstört an und zupfte dann an ein paar weiteren Haarbüscheln. Sie ließen sich ohne jeden Widerstand herausziehen. Bei einem Blick auf das Kissen im Nacken von Lennox sah Dr. Howard dort weitere Haare. Er machte sich Gedanken darüber, ob irgendeines der verabreichten Medikamente als Nebenwirkung wohl zu Haarausfall führen könne, und nahm sich vor, am Abend darüber in Fachbüchern nachzuschlagen. In einem solchen Stadium war Haarausfall natürlich nicht gerade ein drängendes Problem, aber es erinnerte ihn an die Bemerkung, die Mrs. Harring diesbezüglich gemacht hatte. Merkwürdig!
Nachdem er eine Nachricht hinterlassen hatte, daß man ihn nach der Konsultation der Herzspezialisten rufen möge, und nachdem er einen letzten, ihn bedrückenden Blick auf die verhüllte Leiche von Cedric Harring geworfen hatte, verließ Dr. Howard die Abteilung für Herzkrankheiten und fuhr mit dem Aufzug hinunter in den ersten Stock, wo der Verbindungsgang zum Nebengebäude mit den Praxisräumen für nichtstationäre Patienten lag. Das GHP-Versorgungskrankenhaus war die eindrucksvolle zentrale Einrichtung dieser großen Krankenversicherung. Dazu gehörte ein Vierhundert-Betten-Krankenhaus mit chirurgischer Ambulanz, ein Gebäude mit Praxisräumen für jene Patienten, die zu Untersuchungen kamen oder nicht auf Krankenhausbehandlung angewiesen waren, ein kleiner Flügel für Forschungsarbeiten und ein Stockwerk für die Verwaltung. Das Hauptgebäude, das ehemals der Kauf- und Versandhauskette Sears Roebuck gehört hatte, wies einen Anflug von Jugendstilarchitektur auf. Es war renoviert und innen total umgebaut worden, um das
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