Todesangst
Cedric Harring und informierte sich nochmals über die bisherigen Eintragungen und die Daten der letzten Untersuchung. Doch außer dem Hinweis auf seine der Gesundheit grundsätzlich abträglichen Lebensgewohnheiten fand sich nichts irgendwie Bemerkenswertes. Er überprüfte ein weiteres Mal die bisherigen EKG-Ergebnisse und die Daten des Belastungs-EKGs. Doch obwohl er sorgfältig alles durchging, fand sich selbst in Kenntnis des tragischen Ausgangs keinerlei Vorzeichen dafür.
Claudia kam, ohne anzuklopfen, wieder herein. Dr. Howard konnte draußen Sally flehen hören: »Claudia…« Doch diese schlug ihr die Tür vor der Nase zu, trat an Dr. Howards Schreibtisch und knallte ihm die Mäppchen mit den Aufzeichnungen über die Patienten Briggs und Connoly auf den Tisch.
»Gleich kommt’s zum Aufstand!« sagte sie im Hinausgehen.
Dr. Howard überflog die Eintragungen. Briggs war an einer schweren Herzattacke gestorben, ähnlich vielleicht jener von Harring. Der Obduktionsbefund hatte stark fortgeschrittene Verengung aller Herzkranzgefäße ergeben, obwohl das EKG vier Wochen vor seinem Tod genauso normal ausgefallen war wie das von Harring. Auch sein Belastungs-EKG war, ebenfalls wieder ganz wie das von Harring, ohne jede Auffälligkeit gewesen. Dr. Howard schüttelte ungläubig den Kopf - mehr noch als das normale EKG mußte doch das Belastungs-EKG Hinweise auf solche Anzeichen starker Gefährdung geben. Der Verlauf dieser beiden Fälle bewies im Grunde die völlige Nutzlosigkeit der durchgeführten Untersuchungen. Sie hatten nicht nur keinerlei Hinweise auf diese bedrohlichen Symptome erbracht, sondern auch noch den Patienten ein falsches Bild der Sicherheit vermittelt. Da die Untersuchungsergebnisse völlig normal wirkten, führten sie auch nicht zu einer Änderung der ungesunden Lebensgewohnheiten. Briggs war Ende Fünfzig gewesen und, wie Harring, starker Raucher ohne ausreichende körperliche Betätigung.
Der andere Patient, Rupert Connoly, war an einem schweren Schlaganfall gestorben. Auch bei ihm war der rasche Tod kurze Zeit nach einer gründlichen Untersuchung eingetreten, die ebenfalls keinerlei Hinweise auf irgend etwas Ungewöhnliches ergeben hatte. Zusätzlich zu einer auch schon so ungesunden Lebensweise mußte man Connoly als starken Trinker bezeichnen, wenn auch nicht als Alkoholiker. Dr. Howard wollte gerade das Mäppchen wieder schließen, als ihm etwas auffiel, was ihm bisher entgangen war: Im Autopsiebefund hatte der Pathologe auf fortgeschrittenen grauen Star verwiesen. Zunächst glaubte Dr. Howard, er habe sich das Alter des Patienten falsch gemerkt, und blätterte zurück zu den persönlichen Daten - doch, Connoly war achtundfünfzig gewesen. Nun war zwar diese Augenkrankheit bei Leuten dieses Alters nicht völlig unbekannt, aber als typische Alterserscheinung doch recht ungewöhnlich. Der Arzt verglich nochmals seine Eintragungen der Untersuchungsergebnisse - hatte er dort die Anzeichen des grauen Stars notiert? Zu seiner Bestürzung konnte er nichts darüber finden - er hatte vielmehr festgehalten, daß Augen, Ohren, Nase und Rachen ohne Befund seien. Dr. Howard fragte sich, ob er denn tatsächlich schon nachlässig oder vergeßlich werde. Aber dann stellte er fest, daß er ausdrücklich vermerkt hatte, die Netzhaut sei an beiden Augen in normalem, gesundem Zustand. Nachdem er sich die Netzhaut angeschaut hatte, hätte ihm auf jeden Fall der Star auffallen müssen - auch wenn er kein Augenarzt war und sich über seine diesbezüglichen Grenzen durchaus klar war. Er fragte sich, ob es unter Umständen Erscheinungsformen dieser Linsentrübung gäbe, die trotz allem in starkem Maße lichtdurchlässig wären. Er nahm sich vor, auch das eingehend zu überprüfen.
Dr. Howard schob die drei Mäppchen zusammen. Drei offenkundig gesunde Männer waren innerhalb eines Monats nach ihrer regelmäßigen jährlichen Untersuchung gestorben. Um Himmels willen, dachte er. Bisher schon hatten die Leute Angst davor, ins Krankenhaus zu gehen. Wenn das nun bekannt würde, bekämen sie vielleicht auch Angst davor, sich regelmäßig untersuchen zu lassen.
Dr. Howard klemmte sich die drei Patientenmäppchen unter den Arm und verließ sein Sprechzimmer. Er sah, wie Sally am zentralen Empfangsschalter aufstand und ihm erwartungsvoll entgegenblickte. Er flüsterte ihr zu: »Noch ein paar Minuten« und durchschritt, den wartenden Patienten nach rechts und links zulächelnd und zunickend, den Raum. Dann wandte er
Weitere Kostenlose Bücher