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Todesbrut

Todesbrut

Titel: Todesbrut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus-Peter Wolf
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in sein Ohr.
    »Du bist so tapfer«, sagte Bettina. »So tapfer.«
    Er biss die Zähne zusammen und nickte. Seine Wangen glühten.
    Als er eingeschlafen war, versuchte sie, Dr. Husemann ans Telefon zu bekommen. Seine Frau ging dran und versprach, vorbeizukommen. »Bringen Sie das Kind um Himmels willen nicht hierher. Die Zustände in der Praxis sind völlig unzumutbar. Vor allen Dingen für ein Kind. Ich komme. Es sind ja nur ein paar Meter.«
    »Wann kommen Sie?«
    »Sobald ich kann.«
    Bettina bedankte sich und kontrollierte beim schlafenden Leon die Temperatur. Diesmal in seiner Achselhöhle. Sie war auf 39,9 angestiegen.
    Mein Gott, dachte Bettina. Dieses Fieber kam ihr vor wie ein innerer Waldbrand, der in dem Jungen wütete.

 
    59 Carlo Rosin kam endlich durchgeschwitzt bei der Feier zur goldenen Hochzeit an. Die Stimmung war hier längst auf dem Tiefpunkt und auf ihn entlud sich der ganze Frust.
    Statt der versprochenen Schweinemedaillons im Speckmantel mit frischem Marktgemüse und Herzoginkartoffeln gab es Grünkohl mit Pinkel. Nun waren unter den Ostfriesen zwar einige eingefleischte Grünkohlfans, aber auch die mochten Grünkohl nicht im Sommer, sondern im Winter. Was ihnen hier serviert wurde, waren alte, übrig gebliebene, tiefgefrorene Portionen vom letzten Herbst.
    Sie waren froh, dass es überhaupt noch etwas gab, weil nicht einmal der Pizzaexpress auslieferte. Bis auf ein paar Dönerbuden war inzwischen in Emden alles geschlossen oder leer gekauft. Im Hafen sollte es noch Fisch geben, aber wer wollte sich von hier aus bis zum Hafen durchschlagen und vor allen Dingen, wie?
    André Müller bleckte sein überkrontes Raubtiergebiss, denn er konnte jetzt mit seiner doppelstöckigen Buttercremetorte, die er extra für die goldene Hochzeit hatte anfertigen lassen, großes Lob einfahren.
    Als die Torte hereingetragen wurde, hatte fast jeder abgelehnt, sie auch nur zu probieren, denn so eine Kalorienbombe war doch einfach nichts für die schlanke Linie. Jetzt aber schielte sogar Carlos Frau Elfi zu der Torte und die konnte man mit Buttercreme eigentlich jagen. Nur Carlo selbst interessierte das alles nicht, denn er war schon satt.
    André behauptete, Carlo hätte im Fernsehen wie ein begossener Pudel ausgesehen und sich von dem Hühnerfarmmenschen so richtig rundmachen lassen.
    »Ich an deiner Stelle«, sagte er, »würde mich in Sack und Asche hüllen und in der nächsten Zeit nirgendwo sehen lassen, bis Gras über die Geschichte gewachsen ist. Peinlicher ging es ja wohl kaum.«
    Carlo bat darum, sich erst einmal frisch machen zu dürfen, um der ersten Auseinandersetzung aus dem Weg zu gehen. Er hängte seine Jacke über einen Stuhl und verschwand auf der Toilette.
    Er zog sich das Hemd aus und wusch sich Gesicht und Oberkörper. Das kalte Leitungswasser tat gut.
    Er sah in den Spiegel und fragte sich, warum er überhaupt zurückgekommen war. Lediglich seine Schwiegermutter und Andrés Frau Sandra hatten ihm einigermaßen freundliche Blicke zugeworfen. Sandra hatte ihm zugezwinkert und geflüstert: »Ich kann verstehen, dass du dich verdrückt hast. Ich würde auch am liebsten abhauen.«
    Während er sich wusch, durchsuchte Elfi seine Jackentasche und kontrollierte die SMS auf seinem Handy. Sie hatte sich das zur Gewohnheit gemacht; ihre quälende Eifersucht wurde dadurch nicht besänftigt, sondern wuchs. Doch jetzt wurde ihr Misstrauen geradezu befeuert von Bettinas SMS: Lieber Carlo, komm doch bitte rüber. Ich koch uns was. Herzlich, Bettina.
    Ihr stockte fast der Atem. Sie winkte ihre Schwester herbei und fragte: »Was würdest du davon halten, wenn dein Mann so eine Nachricht bekäme?«
    Sandra schnaubte nur.
    Elfi wartete nicht ab, bis Carlo aus dem Waschraum kam, sondern öffnete die Tür zur Herrentoilette und fauchte hinein: »Carlo? Wir müssen miteinander reden.«
    Er beeilte sich, herauszukommen, das Hemd falsch zugeknöpft, was ihn ein bisschen nach verwirrtem Professor aussehen ließ oder nach Beim-Seitensprung-fast-in-flagranti-Erwischt. Je nachdem, wie man es auslegte.
    »Du warst also rein beruflich unterwegs, ja?«, fauchte sie.
    Er nickte. »Elfi, Liebste, du kriegst doch mit, was da draußen los ist.«
    »Wer, verdammt, ist diese Bettina? Eine Tussi vom Gesundheitsamt?«
    »Nein, eine Sängerin.«
    Als sei damit bereits alles gesagt, verschränkte Elfi die Arme vor der Brust und sah verächtlich auf sein verschwitztes, falsch zugeknöpftes Oberhemd.
    »Hast du sie auch erst massiert und

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