Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Todesbrut

Todesbrut

Titel: Todesbrut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus-Peter Wolf
Vom Netzwerk:
hätte.
    Chris hatte die Serviette überhaupt nur mitgenommen, weil diese sich als Lesezeichen für ihren Krimi eignete; der Nordseewind hatte ihr eigentliches Lesezeichen aus dem Buch gehoben und quer über den Strand bis in die Dünen flattern lassen.
    Hassan Schröder, Sohn einer ostfriesischen Aalräucherei-Besitzerin und eines kurdischen Asylanten – der zweifellos den besten Matjes Hausfrauenart herstellen konnte, den es jemals zwischen Emden und Aurich gegeben hatte –, wäre bereit gewesen, für sie ein Passagierflugzeug nach Kuba zu entführen, um ihre Liebe zu gewinnen. Ihr Anruf bei ihm machte ihn glücklich.
    Wenigstens die theoretische Prüfung für die Fluglizenz hatte er schon bestanden. Die Grundausbildung zum Flugzeugpiloten A mit der Berechtigung, »einmotorige, kolbenbetriebene Flugzeuge zu führen«, hatte er zwar noch nicht vollständig absolviert, aber er fühlte sich bereits fähig, Kampfjets zu fliegen. Der Held in ihm wurde wach, als diese wunderschöne Frau mit der erotischen Stimme ihm am Telefon sagte: »Ich brauche deine Hilfe, Hassan. Du hast doch gesagt, du bist Pilot.«
    Sollte er das jetzt klarstellen und ihr die komplizierte Flugausbildung erklären und warum er noch nicht wirklich Pilot war? Er hatte Zugang zu mindestens drei Maschinen. Zwei davon waren im Moment nicht auf Borkum, aber eine stand einsatzbereit und wartete praktisch nur auf ihn. Er stellte sich seine Aufgabe wesentlich leichter vor, als sie war. Er vermutete, dass Chris einfach die Insel verlassen wollte. Dadurch, dass die Fähre nicht landen durfte, konnten nicht nur keine neuen Touristen auf die Insel, auch alle, die bereits hier waren, kamen nicht weg. Deshalb flogen alle Piloten im Moment Sondereinsätze. Niemand wollte nach Emden. Sie flogen Norderney an, Helgoland, Juist oder Wangerooge. Wahrscheinlich hatte Chris keinen Platz mehr bekommen.
    Er rechnete sich aus, dass es gar nicht so schwierig war, jetzt einen kleinen Flugplatz anzufliegen. Wer ließ sich im Moment noch die Pilotenlizenzen zeigen? Es ging doch auf den Flugplätzen Ostfrieslands gerade zu wie in einem Taubenschlag.
    Er rechnete sich aus, dass die Strafe für ihn vermutlich ein lebenslanges Flugverbot war, wenn er erwischt wurde. Das aber war er bereit zu riskieren, um Chris’ Herz zu gewinnen. Obwohl das nur so eine Redensart für ihn war, in Wirklichkeit interessierte ihn ihr Herz nicht besonders. Aber er stellte sich vor, wie ihre schönen langen Beine sich bereitwillig für ihn öffneten.. Chris wusste genau, was Hassan von ihr wollte. Sie hatte es bereits beim ersten Kontakt gespürt und nicht die geringste Lust gehabt, sich auf ihn einzulassen. Aber jetzt spielte sie bewusst mit seinem Verlangen. Sollte er sich nur Hoffnungen machen. Hauptsache, sie war in der Lage, irgendwie Hilfe für Benjo zu organisieren.
    Wenn die Ärzte nicht zu uns kommen, dachte sie, müssen wir eben zu den Ärzten. Sie hoffte, dass es woanders besser war.
    Chris wusste nicht, wie Hassan reagieren würde, wenn sie mit Benjo bei ihm auftauchte. Aber vielleicht fühlte er sich von der Situation ja überrumpelt. Gemeinsam mit Benjo konnte sie eine große Energie entfalten und sie traute sich durchaus zu, dass sie beide in der Lage waren, Hassan dazu zu bringen, sie zu fliegen. Er konnte ja schlecht im Beisein von Benjo zugeben, was er wirklich von ihr wollte. Mit Benjo fühlte sie sich sicher.

 
    62 Regula kollabierte. Für Charlie sah es aus, als würde sie sich bereits im Todeskampf befinden. Ihr Körper verkrampfte sich. Sie stieß mit dem Kopf mehrfach gegen die Scheibe und mit den Knien gegen den Vordersitz. Von ihren Augäpfeln konnte er nur noch das Weiße sehen, das von so vielen geplatzten Äderchen durchzogen war, dass es aussah, als würde sie mit roten Augen schauen. Es erinnerte Charlie an Bilder aus Vampirfilmen. An eine schreckliche Metamorphose, wenn aus einem menschlichen Wesen plötzlich eine angreifende Bestie wurde.
    Doch Regula attackierte niemanden. Im Gegenteil. Sie brauchte Hilfe, um sich bei ihren spastischen Bewegungen nicht selbst zu verletzen.
    Charlie wollte sie auf dem Rücksitz in eine bessere Lage drücken. Ihre Armmuskulatur war knochenhart, als sei sie von innen mit einer vibrierenden, festen Masse ausgegossen worden. Ihr Körper kochte geradezu. Die Wangen glühten.
    »Sie hat hohes Fieber«, sagte er.
    Lukka nickte. Ihre eigene Verletzung kam ihr plötzlich gar nicht mehr so dramatisch vor. Es hätte so ein schöner Urlaub auf

Weitere Kostenlose Bücher