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Todesbrut

Todesbrut

Titel: Todesbrut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus-Peter Wolf
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alles für eine Notoperation vorbereiten. Und, um ganz ehrlich zu sein, es ist gut möglich, dass der Junge das Virus in sich hat. Vielleicht ist er aber auch nur so fertig, weil sein Fuß unversorgt ist. Wir müssen jedenfalls mit dem Schlimmsten rechnen. Kannst du ein Ärzteteam informieren? Aber bitte so, dass sonst keiner Wind davon bekommt?«
    »Ja, Benjo, wo sollen die denn hinkommen?«
    »Weiß ich noch nicht. Wenn wir gelandet sind, gebe ich dir Genaueres durch. Bitte sprich mit niemandem.«
    »Wie soll das gehen, wenn ich die Ärzte informieren soll?«
    »Na ja, denen kannst du es natürlich sagen.«
    Chris wusste gar nicht, ob sie in der Lage war, hier einen Arzt aufzutreiben. Aber trotzdem spürte sie unbändige Freude. Bald würde sie Benjo wiedersehen und gemeinsam könnten sie jeder Gefahr trotzen.

 
    57 Oskar Griesleuchter nahm einen Schluck Whiskey aus Philipp Reines Gallone. Er hatte Mühe, aus dem schweren Behälter zu trinken. Er prustete und spuckte, trotzdem benutzte er kein Glas. Er fand den Gedanken toll, Gift in sich hineinzuschütten. Eine große Menge Gift. Viel schwappte daneben und lief an seinem Hals hinunter.
    Er fürchtete das Virus, an dem Philipp Reine zweifellos gestorben war, nicht. Vielleicht war das einfach ein ganz gnädiger Tod. Man musste nicht Hand an sich selbst legen. All die Ängste und Zweifel blieben einem erspart. Man musste sich keine Pistole in den Mund schieben, sondern brauchte einfach nur einzuatmen und abzuwarten.
    Er saß breitbeinig auf dem Sofa, die offene Gallone vor sich auf dem Boden. Sie fiel um. Der, der er geworden war, wollte er nicht sein. Der Gedanke, Whiskey trinkend hier zu sterben, erschien ihm sehr verlockend.
    Er musste wohl eingenickt sein. Vielleicht nur ein paar Minuten, vielleicht auch ein, zwei Stunden. Er hatte jegliches Zeitgefühl verloren.
    Er nahm noch einen Schluck Whiskey. Um die Gallone herum bildete sich eine Lache im Teppich. So ein Muster hatte er auch bei sich zu Hause. Pfeffer und Salz. Ziemlich unempfindlich.
    Der Whiskey brannte in seiner Speiseröhre und kam wie ein Schlag im Magen an. Von der wohltuenden Wirkung des Alkohols war nichts mehr zu spüren. Im Gegenteil. Ihm wurde übel. Es war, als würde der Körper sich wehren.
    Er konnte sich nicht erbrechen, doch er musste aufstoßen. In seinem Magen schien ein kalter Fisch mit riesigen Flossen um sich zu schlagen.
    Oskar wollte nicht länger so hier sitzen. Er musste etwas tun. Bilder erschienen vor seinem inneren Auge. Bilder, die umgesetzt werden wollten. Warum war er nicht Maler geworden oder Holzschneider? Warum war er nicht seiner Leidenschaft gefolgt, sondern Polizist geworden? Warum hatte er das Risiko so sehr gescheut? War es nicht ein viel größeres Risiko, in einem Beruf zu versumpfen, der ihm keine Freude machte, ihn ausbrannte, der ihn zerriss zwischen bürokratischen Anforderungen, Dienstvorschriften und Leuten, die ihn lieber gehen sahen als kommen? Er war im Zweifelsfall immer der, der zwischen dem Süchtigen und der Droge stand. Zwischen dem Einbrecher und der Beute. Er musste junge Männer mit ihrer Verhaftung aus den Familien reißen, Männer, die in den Augen ihrer Frauen und Kinder Helden waren, weil sie für ihren Unterhalt gestohlen hatten. Für diese war er der Böse, der ihnen den Papa wegnahm oder den liebenden Mann.
    Natürlich hatte es Hunderte anderer Fälle gegeben, wo er die schlimmen Jungs aus dem Verkehr gezogen hatte. Aber es blieben ihm genau die in Erinnerung, die ihn quälten. Und die kamen jetzt hoch wie Lava aus der Tiefe eines seit Jahrhunderten erkalteten Vulkans.
    Er ging in die Küche und sah sich nach Werkzeug um. Dort gab es Filzstifte, Kugelschreiber, sogar zwei Bleistifte in einer Kaffeetasse mit der Aufschrift: NDR – Mein Nachmittag. Das richtige Werkzeug für einen Holzschnitt war nicht da, aber Messer, Korkenzieher und ein Hammer. Er nahm, was er finden konnte.
    Dann stand er vor der Wohnzimmertür und begann, einen Holzschnitt zu skizzieren. Er ging ganz mit dem Material. Jede Unebenheit des Holzes arbeitete er mit ein, jede Wurzel. Es war eine Tür aus Kiefernholz, weich und gut zu bearbeiten. Zum Glück war sie nicht lackiert, sondern nur gewachst worden, um den Charakter des Holzes besser zur Geltung kommen zu lassen.
    Er malte die Umrisse eines Frauenkörpers auf. Noch war es ihm nicht bewusst, doch er malte Chris. Es waren nur wenige Striche, knappe Linien, exakte Umrisse. Das Wesentliche zur Geltung bringen mit

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