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Todesbrut

Todesbrut

Titel: Todesbrut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus-Peter Wolf
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Borkum werden können. Er hatte mit einem wundervollen Konzert in Emden begonnen. Und jetzt das. Antje war völlig durchgedreht, Regula verabschiedete sich von der Welt und sie selbst kam sich vor wie eine alte Frau, die nach einem Schlaganfall Mühe hatte, die Kontrolle über ihren Körper zurückzuerlangen.
    Lukka musste ganz langsame Bewegungen machen. Etwas stimmte mit ihren Augen nicht. Sie verlor die Koordination. Teilweise legten sich Dinge übereinander und gingen dann wieder auseinander. Plötzlich gab es im Auto zwei Schaltknüppel und zwei übereinander gelagerte Lenkräder. Charlies Gesicht erinnerte sie an Gemälde von Picasso: Es hatte nur eine Nase, aber links zwei Augen.
    Die Abendsonne stand jetzt tief und die Strahlen ließen die Schweißtropfen auf Charlies Glatzenansatz glitzern wie eine Haube aus regenbogenfarbenen Diamanten. Es war nur ein kleiner Moment, in dem das Licht so stand, doch er berührte Lukka zutiefst und stachelte ihren Lebenswillen an.
    Inzwischen hatten Passagiere drei weitere Rettungsboote zu Wasser gelassen. In einem saß Antje, zusammen mit dem pensionierten Sportlehrer Josef Flow und dem Punker aus Braunschweig. Der hatte seine Lederjacke immer noch an. Sie war nicht einmal nass geworden.
    Die alte Frau Symanowski war auch mit an Bord. Sie wusste nicht, ob sie es sich wirklich zumuten sollte, mit diesem Boot über die Nordsee zu schippern. Sie hatte Sorge, es könnte kentern, und sie wäre sicherlich nicht in der Lage, an Land zu schwimmen und dies zu überleben. Doch an Bord der Ostfriesland III bekam sie Platzangst. Das Gefühl, eingesperrt zu sein, hielt sie nicht länger aus; ihr war jede Fluchtmöglichkeit recht und bei den jungen Leuten fühlte sie sich gut. Antje und der Punker gaben ihr mit ihrer jugendlichen Lebendigkeit frischen Lebensmut. Hier auf dem schwankenden Rettungsboot ging es ihr bald besser als auf der Fähre, sie fühlte sich nicht mehr wie im Bunker. Endlich bekam sie wieder richtig Luft.

 
    63 Heinz Cremer hatte den Tod von Lars Kleinschnittger noch nicht überwunden. Aber in dem Bewusstsein, dass es darum ging, den Tod von noch viel mehr Menschen auf Borkum zu verhindern, beobachtete er mit seinem Fernglas die Ostfriesland III. Er registrierte, dass dort Boote zu Wasser gelassen wurden.
    Die Wellen der Nordsee peitschten jetzt ziemlich hoch, sodass die flachen Boote im Meer für ihn nicht zu erkennen waren. Mal blitzte irgendwo eins hell auf, aber ob es eines war, drei oder fünf, konnte er nicht sagen. Doch dass sie versuchten, Borkum zu erreichen und nicht das Festland, war ihm völlig klar. Er hätte es an ihrer Stelle genauso gemacht. Wer ließ sich schon gerne in ein Seuchengebiet schicken?
    »Leute«, rief er, »wir müssen kleine Gruppen bilden und den Küstenstreifen absuchen! Die Schweine versuchen, mit Rettungsbooten zu landen. Das wird kein Kinderspiel! Die können praktisch überall an Land gehen, und wenn sie einmal auf der Insel sind, wird es schwer sein, sie zu finden!«
    Aber es gab nicht mehr viele, auf die er hätte zählen können. Die einen standen noch unter Schock, weil sie den Tod von Lars Kleinschnittger erlebt hatten und sich aus allem heraushalten wollten, die anderen feierten ihren Sieg und schwemmten alle Bedenken mit Caipirinha, Corvit und ein paar Bieren weg.
    Ja, ohne jede Übertreibung kann man sagen: Auf Borkum herrschte unter vielen Touristen Feierlaune. In den Nachrichten waren Horrormeldungen zu hören, doch sie hier hatten eine Schlacht gegen das Virus gewonnen.
    Der Polizist Jens Hagen stand ganz in Cremers Nähe und teilte seine Sorge. Cremer spürte, dass er Macht über Jens Hagen hatte. Ohne Oskar Griesleuchter war Hagen nur ein einsamer Uniformierter, unsicher in den Handlungen und voller Angst, etwas falsch zu machen.
    »Bitte helfen Sie mir. Wir müssen Gruppen zusammenstellen, die an der Küste patrouillieren. Die Leute werden versuchen, an der dem Festland zugewandten Seite der Insel zu landen. Ich glaube kaum, dass sie erst halb um Borkum herumrudern, um dort an Land zu gehen. Wir haben eine Möglichkeit, sie abzufangen.«
    Jens Hagen gab ihm recht. »Aber wie sollen wir uns vor den Viren schützen?«, fragte er.
    »Na, indem wir die Leute nicht auf die Insel lassen. Wie denn sonst?«
    »Ja, aber wenn wir sie daran hindern wollen, kommen wir mit ihnen in Kontakt. Ich meine, das ist jetzt nicht eine riesige Fähre, auf der die sitzen. Das sind kleine Rettungsboote. Es könnte zum Nahkampf

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