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Todesbrut

Todesbrut

Titel: Todesbrut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus-Peter Wolf
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helfen. Ein Lokaljournalist machte begeistert Fotos. Er bastelte schon an einer Überschrift. Doch dann wurden die beiden Ordnungshüter zu einem wichtigeren Einsatz gerufen. Sie mussten sich beeilen. Sie verabschiedeten sich nicht einmal richtig.
    Leon Sievers reckte die Spitze von seinem Gummisäbel zum Himmel. »Denen haben wir es aber gegeben!« Dann rief er zur Freude der anderen Kinder hinter ihnen her: »Ja, haut nur ab, ihr Feiglinge!«
    Die Sängerin begriff, dass sie ziemlich auf sich allein gestellt war, und fühlte sich mit dieser Situation überfordert.

 
    13 Die Ostfriesland III wurde auf Borkum nicht von fröhlich winkenden Touristen empfangen wie sonst üblich, sondern von einer Gruppe entschlossener Bürger, die aus den Fernsehbildern rasch gelernt hatten. Es gab in Amerika fast dreihundert Grippetote und allein in New York galten mehr als sechstausend Menschen als hochansteckend.
    Das norddeutsche Festland schützte sich entsprechend gegen das gefährliche Virus aus Emden, aber an die Ostfriesischen Inseln, speziell an Borkum, dachte niemand. Der Versuch, das Virus auf Emden zu begrenzen und das restliche Land sauber zu halten, würde unweigerlich zu einer Verbreitung auf der Insel führen, es sei denn … ja, es sei denn, Borkum schottete sich ab.
    Die Männer waren mit Knüppeln und Golfschlägern bewaffnet, und da der Sportschützenverein Borkum einige Liebhaber großkalibriger Waffen zu Gast hatte, war auch an entsprechenden Büchsen kein Mangel. Eigentlich sollte ein Pokal ausgeschossen werden und die Sportschützen waren angesehene Familienväter, keine wilden Radaubrüder, aber genau das machte sie so gefährlich in ihrer Entschlossenheit. Sie wollten ihre Familien vor einem tödlichen Virus schützen.
    Touristen, die eigentlich mit der Fähre von der Insel zurückfahren wollten, hielten sich unsicher im Hintergrund. Einige entschlossen sich dazu, das nächste Schiff zu nehmen, andere, den Urlaub um einen Tag zu verlängern, und kehrten in ihre Ferienwohnungen zurück. Nicht für alle war das so einfach, doch niemand konnte sich entscheiden, sich den Weg zur Fähre freizukämpfen. Die meisten warteten erst einmal ab. Wer blieb, beobachtete die Szenerie mit Argwohn.
    Ein Einsatzfahrzeug der Polizei brauste heran, aber die Beamten stiegen vorsichtshalber nicht aus. Sie versuchten, Verantwortliche in Wittmund und Leer zu erreichen, aber dort waren die Telefone seit Stunden besetzt. Ein nie da gewesener Ansturm von Fragen und Notrufen blockierte die sonst üblichen Kommunikationswege. Die beiden Beamten, Jens Hagen und Oskar Griesleuchter, wussten nicht, wie sie sich verhalten sollten. Jens Hagen schrieb heimlich Gedichte über das Meer und über seine Freundin oder besser gesagt: die Frau, die er gerne zur Freundin gehabt hätte. Oskar Griesleuchter versuchte sich nach Dienstschluss als Maler und Holzschneider. Von den letzten Bemühungen, das Gesicht seiner Mutter in eine alte Tischplatte zu ritzen, zeugten die Pflaster an seiner linken Hand. Drei Finger hatte er sich verletzt, aber das Bild sah seiner Mutter sehr ähnlich. Er hatte ihre Gesichtszüge auf wenige Konturen reduziert, dadurch trat das Wesentliche hervor, das Unverwechselbare. So fand er.
    »Wenn wir die jetzt wegjagen und den Weg für die Passagiere freimachen, dann holen wir vielleicht den Tod auf die Insel und sind hinterher die Idioten …«, flüsterte Jens Hagen mit unterdrückter Wut. Er fühlte sich im Stich gelassen, von seinen Vorgesetzten, von der Telekom und der Kommunikationstechnik an sich. Manchmal kam es ihm so vor, als würde sich die ganze Welt gegen ihn verschwören. Dies war mal wieder so eine Situation.
    »Egal, was wir jetzt machen, hinterher wird es falsch sein. Im Grunde müssten wir das Recht der Fähre durchsetzen, hier anzulanden. Die Leute da behindern den Schiffsverkehr, das ist Freiheitsberaubung und …«
    Jens Hagen unterbrach seinen Kollegen barsch. »Und wenn die in ihren Krisenstäben längst beschlossen haben, dass die Inseln dichtgemacht werden, nur zu uns ist das noch nicht durchgedrungen, was dann? Wie willst du hinterher dastehen und uns rechtfertigen?«
    Oskar Griesleuchter nickte zerknirscht. Genau das konnte er sich gut vorstellen. Die entschieden in Berlin oder Hannover irgendetwas und vergaßen gern die Menschen hier, ganz so, als sei die Nordsee die Landesgrenze und die Ostfriesischen Inseln würden gar nicht dazugehören. Wenn das Festland geschützt wurde, wieso galt dann für die

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