Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Todesbrut

Todesbrut

Titel: Todesbrut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus-Peter Wolf
Vom Netzwerk:
Inseln nicht dasselbe? Wussten die Bürger mit den Minigolfschlägern und den Sportwaffen vielleicht sogar mehr als sie? Taten sie genau das, was jetzt getan werden musste? Hatte es einen Aufruf im Fernsehen oder im Radio gegeben, jetzt genau so zu handeln?
    »Müssen wir nicht wenigstens aussteigen?«, fragte Oskar Griesleuchter seinen Kollegen Hagen.
    Der verzog den Mund und zeigte auf die Bewaffneten. »Willst du dich mit denen anlegen? Ich versteh die gut. Ich würde es an ihrer Stelle ebenso machen. Wir stehen vor der Apokalypse …«
    »Ach, Apokalypse! Red doch nicht so geschwollen daher. Was soll das denn heißen?«
    »Das Ende der Welt. Die Apokalypse ist eine Katastrophe, die so schlimm ist, dass sie das Ende der Welt bedeuten kann.«
    »Okay, die Welt geht unter und wir sitzen in einem Polizeiwagen und die vermummten Typen da in Shorts und Sandalen verhindern, dass Borkum mit untergeht?«
    »Ja, so sieht es im Moment wohl aus. Und ich wäre lieber bei denen als auf der Gegenseite.«
    Kai Rose stand mit seinen Kindern Dennis und Viola, umringt von den Girlies, ganz vorn, um die Landung der Fähre zu beobachten. Lukka und Charlie, der Mann aus dem Ruhrgebiet, wechselten wie unabsichtlich Blicke. Er lächelte sie an und sie strich sich durch die roten Haare.
    Kai Rose hielt Dennis auf dem Arm, damit der Kleine besser gucken konnte. Viola drückte sich dicht an ihren Vater, stand auf den Zehenspitzen und zog sich an der Reling hoch.
    Aufgeregte Silbermöwen begleiteten die Einfahrt der Ostfriesland III. Sie veranstalteten ein fröhliches Zielscheißen. Eine weiße Ladung Kot verfehlte Benjamin Koch nur knapp und traf neben ihm Charlies Glatzenansatz. Der wischte sich die Soße mit einem Papiertaschentuch vom Kopf und warf es lachend ins Meer. Er grinste zu Lukka hinüber. »Na, wenn jetzt hier oben wieder Haare wachsen, dann werde ich mit Möwenscheiße reich! Vielleicht ist das der Lottogewinn, auf den ich gewartet habe.«
    Margit Rose sah sich diesen Charlie genau an. Er war nicht schön, aber er hatte eine Art, die Dinge zu sehen, die sie faszinierte. Jeder andere hätte geflucht und geschimpft, weil Möwenkacke klebt wie UHU und stinkt wie verfaulter Fisch mit ranziger Mayonnaise, aber Charlie lachte und machte einen Witz daraus.
    Wenn ich so sein könnte, dachte sie, dann hätte ich vielleicht nie angefangen zu trinken und auch all diese Affären mit anderen Männern wären nicht nötig gewesen. Dieser Mann tritt der Welt einfach mit einem Lachen gegenüber. Das ist mir nie gelungen, bei mir hat immer alles so eine erdrückende Schwere. Der Möwenkot auf dem Kopf hätte mich beschämt und in eine Krise gestürzt, als sei er die gerechte Bestrafung für meine Schandtaten gewesen.
    Während sie ihn beobachtete, fühlte sie sich mehr und mehr zu ihm hingezogen.
    Ist es, weil mir seine Art so gefällt, oder brauche ich wie immer nur einen Halt, bin ich nur auf der Suche nach männlicher Bestätigung und vielleicht sogar nach männlichem Schutz, weil ich weiß, dass das mit Kai und den Kindern fürchterlich schiefgehen muss und nicht einmal der sympathische Benjo dann für mich da sein wird, weil er eine Freundin auf der Insel hat? Vielleicht kann Charlie mich dann trösten und auffangen.
    Sie kaute auf ihrer Unterlippe herum. Sie war wieder bei ihrem uralten Thema. Sie wich den Konflikten aus, indem sie in die Arme eines Mannes floh und dort Bestätigung suchte. So war sie in unzähligen Betten gelandet, hatte sich zu gymnastischen Übungen auf Autositzen hinreißen lassen und in Toiletten mit Männern herumgemacht, von denen sie nicht einmal den Nachnamen kannte.
    Sie beschloss, trotz ihrer Angst vor der Ablehnung durch die Kinder, nicht aufzugeben. Allerdings war die Situation jetzt nicht günstig für einen weiteren Versuch. Die Girlies umgaben die Kleinen wie eine menschliche Mauer. Lukka hielt die Hand von Viola … und außerdem schien sich hier etwas zusammenzubrauen.
    »Papa, warum stehen die Männer da? Die haben Gewehre …«, rief Dennis viel zu laut in das rechte Ohr seines Vaters.
    »Zur Begrüßung. Das machen die Ostfriesen immer so«, behauptete Kai Rose wider besseres Wissen. Ihm wurde ganz mulmig, als er in die Gesichter der Leute an der Anlegestelle sah.
    Sie erinnerten ihn an einen Film, den er als Jugendlicher geliebt hatte. Die Wikinger bereiteten sich auf die Schlacht vor, auf den Kampf von Mann gegen Mann. Nur waren diese Männer hier statt mit Streitäxten und Schwertern mit Gewehren

Weitere Kostenlose Bücher