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Todeseis

Todeseis

Titel: Todeseis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernward Schneider
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niemand nach Jago suchen, und um diese Zeit hätte die Titanic Southampton bereits verlassen.
    Sein Leben liegt in seiner Hand, sagte sie sich. Wenn er früh genug aufstand und nach Hause ging, brauchte sie nichts unternehmen und konnte sich rechtzeitig auf den Weg machen. Sollte er jedoch mit ihr frühstücken wollen, musste sie handeln. Ihr Entschluss stand fest. Dieser Mann neben ihr würde sie kein zweites Mal anfassen. Falls er nicht aufstand und ging, würde sie das Stilett benutzen und ihn schlachten. Sie fuhr zusammen, als sie plötzlich Franks Stimme hörte.
    »Was ist? Woran denkst du?«
    »Nichts ist. Ich dachte, du schläfst tief und fest.«
    »Ich hätte gern etwas zu trinken«, sagte er. »Einen guten Whisky.«
    »Nebenan findest du eine gut gefüllte Bar«, erwiderte Gladys.
    Er rappelte sich auf.
    »Nun gut! Ich sehe selbst nach. Möchtest du auch etwas?«
    »Bring mir einen Sherry mit.«
    Als Frank zurückkehrte, hielt er ein mit einem doppelstöckigen Whisky gut gefülltes Glas in der einen und ein kleines Sherrygläschen in der anderen Hand. Letzteres reichte er Gladys, dann setzte er sich neben sie auf das Bett.
    »Auf unsere Zukunft!«, prostete er ihr zu. Er nahm einen kräftigen Schluck und ließ ihn auf der Zunge zergehen. »Was für ein edler Tropfen.« Er blickte Gladys an und musterte eingehend ihren wohlgestalteten nackten Körper. »Eine schöne Frau und ein edler Tropfen. Was kann sich ein Mann noch mehr wünschen. Ich denke, ich werde die Nacht bei dir verbringen, mein Schatz. Ich fürchte, ich komme nicht mehr von dir los.«
    Er kippte den Whisky hinunter und stieg dann mit dem Glas in der Hand wieder aus dem Bett.
    »So müde, wie ich dachte, bin ich noch gar nicht, stelle ich fest. Ich muss mich noch ein wenig entspannen, zuerst beim Whisky und dann mit dir.«
    Sie durfte ihn nicht unterschätzen, sagte sie sich. In den Kreisen, denen er angehörte, war man immer auf der Hut, sogar wenn man schlief. Verdammt, dachte sie und nippte an ihrem Sherry, sie wurde den Kerl einfach nicht los, und nun wollte er sogar ein weiteres Mal mit ihr schlafen. Sie dachte an das Stilett und fragte sich, ob sie wirklich die Kraft aufbringen würde, ihn damit zu töten? Sollte der erste Stich nicht tödlich sein, wäre es um sie geschehen, das wusste sie sehr wohl. Ging ihr Angriff schief, würde sie Phil folgen müssen, ohne den Gnadenschuss, den er bekommen hatte.
    Frank schenkte sich Whisky ein, dann stellte er das Glas ab und verließ das Schlafzimmer, um ins Bad zu gehen.
    Nachdenklich betrachtete Gladys das Whiskyglas auf dem Tisch, dessen goldgelbe Flüssigkeit im Licht der Lampen so verführerisch wie tückisch schimmerte, und plötzlich kam ihr eine Idee. Sie erhob sich aus dem Bett und schlüpfte wieder in ihr Kleid.
    »Ja, Frank, lass uns noch etwas trinken«, rief sie so laut, dass er es durch die nur angelehnte Badezimmertür hören konnte. »Mir geht es nicht anders als dir. Ich kann auch noch nicht schlafen.«
    Sie hörte, wie er drüben etwas brummte, das sie nicht verstehen konnte, aber sie hatte das Gefühl, dass es eine Zustimmung war. Der Rest von Misstrauen, den er noch gegen sie hegte, begann zu schwinden. Gut, dachte sie, und leise machte sie sich daran, ihren Plan in die Tat umzusetzen.

2. Kapitel
Mittwoch, 10. April 1912
     
    Gladys hatte sich ein schwerfälliges, Respekt einflößendes Ungetüm vorgestellt und war überrascht, als sie sah, dass die Titanic eine Linienführung von erstaunlicher Harmonie besaß. Die hohen Masten und die vier großen Schornsteine hoben sich klar gegen den grauen Himmel ab, und der Rumpf mit dem leuchtend goldenen Band hatte fast etwas von der Schnittigkeit einer Jacht. Die Königin der Ozeane, wie man sie auf den Plakaten pries, wirkte nicht nur atemberaubend groß, sondern auch grazil – wie ein Schiff der Zukunft, und es ließ traumhafte Bilder vor ihrem inneren Auge entstehen.
    Sie hatte es nicht eilig an Bord zu kommen und spazierte aus dem Hafen hinaus in Richtung City. Sie wollte Klarheit in ihre Gedanken bringen, denn die Entscheidung, die sie treffen musste, zog weitreichende Folgen nach sich. Sie war sich unsicher, ob es wirklich klug war, auf die Titanic zu gehen. Noch auf der Fahrt nach Southampton, während die sanfte südenglische Landschaft an ihr vorüberzog, hatte sie überlegt, ob sie nicht besser nach Dover fahren und ein Schiff besteigen sollte, das sie zum Kontinent anstatt nach Amerika brächte. Paris oder Hamburg waren Orte

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