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Todesengel (Gesamtausgabe)

Todesengel (Gesamtausgabe)

Titel: Todesengel (Gesamtausgabe) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H.L. WEEN
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zwischen zwei Terminen und er musste zugeben, dass er die Krankheit seines Freundes bis dahin verdrängt hatte wie eine Prüfung, auf die er nicht vorbereitet war. Doch jetzt war die Zeit der Ausflüchte vorbei und deshalb humpelte er einen endlos langen Flur der Charité entlang, sein vor vielen Wochen gegebenes Versprechen einzulösen, anstatt für die Familie zu kochen. Eine feine Tomatensuppe mit einem Schuss Gin und dem obligatorischen Sahnehäubchen obendrauf hatte er Frau und Töchtern servieren wollen, danach Sahneschnitzel und als Dessert Karamellpudding. Der Bibelspruch, dass jegliches seine Zeit habe, ging ihm wie einst in Mirjams Wohnung durch den Kopf und seine Beine wurden immer schwerer, als ob die Racheengel ihm zu guter Letzt auch das Gift gespritzt hätten, aber das war natürlich Unsinn, weil sie längst hinter Schloss und Riegel saßen.
    Wenn er nachts schlaflos in seinem Bett lag und die letzten Monate Revue passieren ließ, fragte er sich oft, wo die Grenze zwischen Gut und Böse verlief, ob sie von Soldaten bewacht wurde oder es ein Niemandsland voller Zwischentöne gab, in dem keine Heiligen und Todsünder, sondern normale Menschen zuhause waren. Ob er auch zu dieser Spezies gehörte, wagte er in selbstkritischen Momenten zu bezweifeln, war er doch in vielerlei Hinsicht maßlos, im Essen und Trinken wie beim Rauchen und im Zorn, den Carmen und die Kinder ebenso fürchteten wie die Kollegen. Und noch ein Charakterzug war dazugekommen, der früher nur in ihm geschlummert hatte, ein Egoismus, der ihn zur Not sogar über Leichen gehen ließ! Vor allem gegenüber Mirjam war dieser Wesenszug zum Tragen gekommen, hatte er die junge Frau doch wie ein Schwein behandelt, sie erst verführt, dann fallengelassen wie eine heiße Kartoffel und sich schließlich in ein neues Abenteuer mit ihr gestürzt, um sie ohne Skrupel zu einer anderen Dienststelle abzuschieben, als sie zur Gefahr für seine private und berufliche Existenz zu werden drohte.
    Gewiss hatte Mirjam ihn auch benutzt, aber das sprach ihn nicht frei von Schuld, weil die Oberkommissarin, bei Licht betrachtet, nur bedingt für ihr Handeln verantwortlich zu machen war.
    Jetzt, nach einer kleinen Ewigkeit, stand er vor der Tür, hinter der sich das Grauen verbarg, schwitzte und fror zugleich, drückte die Klinke im Zeitlupentempo herunter und endlich war es geschafft, stand er vor dem Bett des Freundes, der schon vom Tod gezeichnet, aber offenbar noch klar im Kopf war und sich riesig über seinen Abschiedsbesuch zu freuen schien. Becker half Frankenstein sich aufzurichten, spürte das nahe Ende sogar im verschwitzten Nachthemd des Mannes und versuchte krampfhaft, die richtigen Worte zu finden. Frankenstein beobachtete ihn mit Argusaugen, lächelte verschmitzt und meinte dann:
    „Sag schon, dass ich Scheiße aussehe! Um das herauszufinden, muss ich nicht in den Spiegel sehen, sondern nur in dein käseweißes Gesicht! Ansonsten fühle ich mich wohl, die Ärzte haben heutzutage tolle Möglichkeiten, einem Sterbenden den Abgang zu erleichtern, du hast weder Schmerzen noch Angst, aber trotzdem finde ich es doof, bald von der Bühne abtreten zu müssen! Doch keine Sorge, ich werde im Himmel auf euch aufpassen, damit Ihr nicht so viel Käse macht wie bei diesen Racheengeln…“
    Becker schluckte, wagte aber nicht zu widersprechen und Frankenstein schien jetzt richtig in Fahrt zu kommen, wollte alles Mögliche von ihm wissen und zuletzt auch, wie es mit den Frauen weitergehen werde, die Debbie Meier und die anderen Protagonistinnen der Jungfräulichen Rache zu ihren Taten angestiftet hatten.
    Der Hauptkommissar schüttelte betrübt den Kopf und meinte, dass sie mit vier oder fünf Jahren davonkommen könnten.
    „Richter! Hör mir auf mit diesen Ganoven!“, röchelte Frankenstein und zog Becker an sich heran, um ihm eine letzte Neuigkeit zu entlocken.
    „Erzähl mir was über Sauerbrei!“, bat er seinen Freund, der die letzte Neugier des Todgeweihten mit großer Freude stillte: „Dem geht es nicht gut, kein Wunder nach der Amputation seines besten Stücks! Außerdem hat er den Druck der Öffentlichkeit nicht ausgehalten und seine Entlassung als Richter beantragt!“
    „Gott sei Dank!“, flüsterte Frankenstein, lächelte milde und ließ bei Becker, als er den Sterbenden verließ, das Gefühl zurück, doch mit der Welt im Reinen zu sein…
    Ende

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