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Todesengel (Gesamtausgabe)

Todesengel (Gesamtausgabe)

Titel: Todesengel (Gesamtausgabe) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H.L. WEEN
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des Anrufs und verwarf ihren Plan, zog stattdessen wieder ihren Mantel an und verließ die Wohnung. Die dreihundert Meter zum Internetcafé legte sie im Eiltempo zurück, war deshalb nassgeschwitzt und außer Atem, als sie den Laden betrat und dankte Gott im Himmel, dass ein Computer frei war, sie also ohne Weiteres die Website der Mörderinnen aufrufen konnte. Zum Glück erinnerte sie sich an die Internetadresse der Selbsthilfegruppe, rief www.jungfraeuliche-rache.de auf und erstarrte vor Schreck! Das Portal gab es nicht mehr und Sauerbreis Hinrichtung rückte unerbittlich näher! Jetzt konnte sie nur noch ihrem Glück vertrauen und hoffen, dass die Frauen inzwischen unter einer anderen Adresse firmierten, doch egal, welche Begriffe sie der Suchmaschine vorgab, es fand sich keine Website, die von der Beschreibung her zu Debbie und ihren Freundinnen gepasst hätte! Das Gesicht voller Tränen, verließ sie das Internetcafé, stolperte wie eine Betrunkene nachhause, hatte dort Mühe, die Treppe hinaufzukommen und glaubte, als sie sich in ihrer Wohnung im Spiegel betrachtete, ein Gespenst vor sich zu sehen, dass Tod und Verderben mit sich brachte.
    „Ich kann nicht mehr!“, schrie sie immer wieder, während sie die Schränke nach den verfluchten Schlaftabletten durchsuchte und wollte nach einer halben Stunde schon resignieren, als sie die Pillen doch noch in einer Schublade des Wohnzimmerschranks fand und darüber nachzudenken begann, welche Dosierung sie für ihr Vorhaben benötigte. Am Ende entschied sie sich dafür, alle Tabletten zu nehmen, füllte ein Wasserglas mit Orangensaft und Wodka und gab die Schlaftabletten hinein, verrührte sie, bis sie sich in der Flüssigkeit aufgelöst hatten und griff nach einem leeren Blatt Papier und ihrem Füllfederhalter, ehe sie den mörderischen Cocktail herunterschluckte.
    Danach verfasste sie mit immer krakeliger werdender Handschrift einen Abschiedsbrief, ließ nichts aus, was ihr wichtig erschien und hatte, als sie fertig war, gerade noch Kraft genug, um Beckers häusliche Rufnummer zu wählen. Sechsmal ertönte das Freizeichen und Mirjam wollte schon auflegen, als Carmen sich am anderen Ende der Leitung meldete und sie sich, so gut es ging, bemerkbar machen konnte.
    „Ich möchte“, lallte sie, „Egon, ä, Herrn Becker sprechen!“ Die Gattin des Hauptkommissars schien über ihren Anruf nicht beglückt zu sein, gab das Telefon aber doch an ihren Mann weiter, der sich mit der Frage: „Mit wem spreche ich?“ meldete und, als Mirjam kein Wort herausbekam, schon wieder auflegen wollte, als seine Verflossene doch noch ihren Namen herausbrachte und ihre Lippen zu einem Bekenntnis formte, das Becker in seinen Grundfesten erschütterte. Sie sprach von Liebe und Tod, Glück und Verrat und als ihr schließlich der Hörer aus der Hand glitt, war sie christlicher Verheißung zum Trotz schon auf dem Weg zur Hölle, obwohl sie nur eine arme, bemitleidenswerte Sünderin war…

55.
    „Wer war das denn?“, fragte Carmen den in viel zu großen Jogginghosen steckenden Gatten, als er nach dem Telefonat den Kopf in die Küchentür steckte und ihrem Gesicht war wieder die Eifersucht anzusehen, die ihn langsam, aber sicher zum Wahnsinn brachte. Becker überlegte, ob er mit seiner Antwort Salz in ihre Wunde streuen sollte, sah aber keine Alternative hierzu und ließ sie deshalb wissen, dass er dringend zu Mirjam Berndt fahren müsse.
    Die Oberkommissarin habe sich möglicherweise mit Tabletten vergiftet und er wolle vor der alarmierten Feuerwehr bei ihr sein.
    „Bleibe hier, du Schuft!“, schrie Carmen ihm nach einer Weile hinterher, doch da war Becker längst in seinem Wagen und so musste sie den ganzen Abend rätseln, ob ihr Gatte irgendwo dringend benötigt wurde oder eine billige Ausrede gesucht hatte, um sich mit der verhassten Nebenbuhlerin treffen zu können.
    Dem Ehemann gingen auf dem Weg nach Kreuzberg ganz andere Gedanken durch den Kopf. Wollte sich Mirjam wirklich umbringen oder mit ihrem Anruf nur ein Notsignal senden? Ihrer Stimme nach zu urteilen, sprach einiges für die erste Annahme, weil er sie noch nie so apathisch reden gehört hatte. Genauso konnte sie aber sturzbetrunken sein und wenn er daran dachte, dass sie heute ihren 30.Geburtstag feierte, sprach vieles dafür, dass sie mit ihren neuen Kollegen gefeiert und das Trinkgelage zuhause fortgesetzt hatte. Aber nein! Mirjam mochte ein ausgebufftes Luder sein, die alles tun würde, um ihn wieder an sich zu binden,

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