Todesengel
wissen.
»Robertson hat Hodges für den Tod seiner Frau verantwortlich gemacht«, erklärte Paul.
»Ist Hodges der Arzt von Robertsons Frau gewesen?« fragte Angela.
»Nein, das nicht. Hodges hatte damals kaum noch eigene Patienten, denn die Leitung des Krankenhauses hat ihn voll und ganz in Anspruch genommen. Aber als Krankenhausdirektor war er eben auch dafür verantwortlich, daß Dr. van Slyke weiterhin als Arzt beschäftigt wurde, obwohl beinahe jeder wußte, daß er Alkoholiker war. Hodges hatte es damals offenbar dem Leiter der medizinischen Abteilung überlassen, sich um den Fall van Slyke zu kümmern. Und dann hat van Slyke bei der Frau von Robertson eine Blinddarmoperation verpfuscht, weil er während des Dienstes getrunken hatte. Später hat Robertson Hodges für den Tod seiner Frau verantwortlich gemacht. Das ist zwar völlig irrational, aber wenn Menschen sich hassen, gibt es dafür ja oft keinen vernünftigen Grund.«
»So langsam begreife ich, weshalb es so schwierig ist, den Mörder von Hodges zu finden«, sagte Angela. »Da haben Sie in der Tat recht«, erwiderte Paul. »Es gibt aber in der Affäre Hodges van Slyke auch noch ein weiteres Kapitel. Hodges war früher nämlich einmal mit Traynor befreundet, der ja zur Zeit der Vorsitzende unseres Krankenhausvorstands ist. Und Traynors Schwester war mit Dr. Werner van Slyke verheiratet. Als Hodges sich endlich dazu durchgerungen hatte, Dr. van Slyke zu feuern…«
»Schon gut«, unterbrach Angela ihn und hob die Hand. »Ich habe verstanden, was Sie mir sagen wollen. Das ist ja einfach unglaublich. Daß es in Bartlet so hinterwäldlerisch zugeht, hätte ich nun wirklich nicht gedacht.«
»Wir leben nun mal in einer Kleinstadt«, seufzte Paul. »Viele Familien leben schon seit Ewigkeiten hier, so daß man praktisch von inzestuösen Verhältnissen sprechen muß. Und die meisten Menschen hier konnten Hodges nicht leiden. Deshalb hat es sie auch nicht weiter gekümmert, als er plötzlich verschwunden war.«
»Aber das heißt doch, daß der Mörder von Hodges immer noch frei hier herumläuft«, sagte Angela. »Und dieser Mann ist ja offensichtlich dazu imstande, extreme Gewalt anzuwenden.«
»Da haben Sie wohl recht.«
Angela lief es kalt den Rücken herunter. »Das gefällt mir überhaupt nicht«, erwiderte sie. »Es ist einfach furchtbar… wenn ich mir vorstelle, daß dieser Mann in meinem Haus gewesen ist, vielleicht sogar mehrmals. Wahrscheinlich kennt er sich bestens dort aus.« Paul zuckte mit den Schultern. »Ich kann Sie gut verstehen«, sagte er. »Wahrscheinlich würde ich mich an Ihrer Stelle genauso unwohl fühlen. Aber ich habe auch keine Ahnung, was Sie tun können. Wenn Sie mehr über Hodges erfahren wollen, empfehle ich Ihnen, mit Barton Sherwood zu sprechen. Als Bankdirektor kennt er hier jeden. Und den alten Dr. Hodges kannte er sogar besonders gut, denn Sherwood ist schon seit Ewigkeiten Mitglied im Krankenhausvorstand - und vor ihm hat auch schon sein Vater diesen Posten innegehabt.«
Angela ging zurück in ihr Büro und versuchte noch einmal, sich auf ihre Arbeit zu konzentrieren, doch es wollte ihr einfach nicht gelingen. Da Hodges ihr nicht mehr aus dem Kopf ging, griff sie zum Telefonhörer und rief Barton Sherwood an. Immerhin war er vor ein paar Monaten, als sie ihr Haus gekauft hatten, sehr freundlich zu ihnen gewesen.
»Dr. Wilson!« rief Sherwood am anderen Ende der Leitung erfreut. »Wie schön, von Ihnen zu hören. Wie geht es Ihnen denn in Ihrem schönen, neuen Haus?«
»Im großen und ganzen recht gut«, erwiderte Angela. »Aber genau darüber würde ich gerne mal mit Ihnen reden. Wenn ich mal kurz zu Ihnen rüberkommen würde, hätten Sie dann einen Moment Zeit für mich?«
»Selbstverständlich«, erwiderte Sherwood. »Sie sind jederzeit willkommen.«
»Dann bin ich gleich da«, sagte Angela und beendete das Gespräch. Zehn Minuten später saß sie in Sherwoods Büro. Es kam ihr beinahe so vor, als hätte sie erst gestern mit David und Nikki hier gesessen, um den Kauf ihres Hauses zu besprechen.
Angela kam ohne Umschweife zur Sache. Sie erzählte Sherwood, wie unwohl sie sich fühle, seitdem sie wisse, daß Hodges in ihrem Haus ermordet worden sei und der Mörder sich immer noch auf freiem Fuß befinde. Schließlich gestand sie Sherwood, daß sie auf seine Hilfe hoffe.
»Aber wie kann ich Ihnen helfen?« fragte Sherwood. Er lehnte sich in seinem Ledersessel zurück und hakte beide Daumen in seinen
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