Todesengel
sie vor Schreck zusammen.
»Was macht ihr denn hier?« fragte sie. David hechtete nach vorn und riß die Tür ganz auf. Nikki verlor das Gleichgewicht und fiel aus dem Auto. Sofort sprang auch Angela nach vorne; sie packte ihre Tochter am Arm und zog sie zur Seite auf den Rasen. Nikki schluchzte vor Schmerz und vor Schreck laut auf. David zielte mit dem Gewehr auf van Slyke und war bereit, notfalls auf ihn zu schießen. Doch dann sah er, daß der Mann gar nicht bewaffnet war. Er machte nicht einmal Anstalten zu fliehen. Er starrte David ausdruckslos an und rührte sich nicht von der Stelle.
Vorsichtig ging David etwas näher an ihn heran. Van Slyke blieb ruhig sitzen; seine Hände lagen reglos auf seinen Oberschenkeln.
»Was ist eigentlich los?« fragte Nikki schluchzend. »Warum hast du so an meinem Arm gezerrt? Am Bein hast du mir auch weh getan.«
»Das tut mir leid«, versuchte Angela sie zu trösten. »Ich hatte Angst um dich. Der Mann, neben dem du gerade gesessen hast, ist der Kerl, der uns gestern abend überfallen hat.«
»Das kann nicht stimmen«, sagte Nikki und wischte sich die Tränen aus den Augen. »Mr. van Slyke hat gesagt, er wolle sich mit mir unterhalten, bis ihr zurückkommt.«
»Worüber hat er denn mit dir geredet?« fragte Angela. »Er hat mir erzählt, wie es war, als er so alt war wie ich«, antwortete Nikki. »Er hat gesagt, daß es unheimlich schön war.«
»Mr. van Slyke hat alles andere als eine schöne Kindheit gehabt«, schaltete sich David ein. Aber er behielt van Slyke im Visier, der sich noch immer nicht gerührt hatte. Während David mit dem Gewehr auf die Brust des Mannes zielte, beugte er sich jetzt in das Auto hinein, um ihn aus der Nähe zu betrachten. Van Slyke starrte ihn weiterhin ausdruckslos an.
»Ist mit Ihnen alles in Ordnung?« fragte David. Er wußte nicht, was er sagen sollte.
»Mir geht’s gut«, erwiderte van Slyke mit leiser und monotoner Stimme. »Mein Vater ist oft mit mir ins Kino gegangen. Immer wenn ich Lust dazu hatte.«
»Bewegen Sie sich nicht!« befahl ihm David. Während er das Gewehr weiterhin auf van Slyke richtete, ging er vorne um das Auto herum und öffnete die Fahrertür. Van Slyke verharrte reglos, aber er ließ David nicht aus den Augen.
»Wo ist Ihre Pistole?« fragte David ihn. »Knarre weg, hat keinen Zweck«, erwiderte van Slyke. David packte ihn am Arm und zog ihn aus dem Auto. Er gab van Slyke einen Schubs, damit er sich umdrehte und mit dem Gesicht zum Auto stand. Dann durchsuchte er ihn nach Waffen. Doch er hatte die Pistole tatsächlich nicht mehr bei sich.
»Was haben Sie mit Ihrer Pistole gemacht?« fragte David.
»Ich brauche sie nicht mehr«, bekam er zur Antwort. David starrte entgeistert in das Gesicht van Slykes, das nun vollkommen ruhig wirkte. Auch seine Pupillen waren wieder ganz normal. Es war erstaunlich, wie schnell sich die Gemütszustände dieses Mannes veränderten. »Was ist los, van Slyke?«
»Los?« grummelte van Slyke. »Los geht’s.« Er schien die Frage nicht verstanden zu haben.
»Van Slyke!« schrie David ihn an. »Was ist passiert? Wo waren Sie? Was ist mit den Stimmen, die zu Ihnen gesprochen haben? Hören Sie die Stimmen immer noch?«
»Es ist sinnlos«, sagte Angela. Sie war mit Nikki um das Auto herumgegangen. »Er hat einen psychotischen Anfall, er kann dich nicht verstehen.«
»Ich höre keine Stimmen mehr«, meldete sich van Slyke auf einmal. »Ich habe sie zum Schweigen gebracht.«
»Ich glaube, wir sollten jetzt die Polizei rufen«, schlug Angela vor. »Aber nicht den unfähigen Robertson mit seiner Mannschaft, sondern die Bundespolizei. Liegt dein Telefon im Auto?«
»Wie haben Sie die Stimmen denn zum Schweigen gebracht?« wollte David wissen.
»Ich habe mich eben um sie gekümmert«, antwortete van Slyke.
»Was heißt das, ›Sie haben sich um sie gekümmert?‹« fragte David besorgt. Er wollte unbedingt herausfinden, was van Slyke damit meinte.
»Die werden mich nicht mehr länger ausnutzen können«, sagte van Slyke.
»Von wem, zum Teufel, sprechen Sie denn? Wer sind ›die‹?« bohrte David weiter.
»Der Vorstand«, sagte van Slyke. »Der gesamte Vorstand.«
»David!« rief Angela ungeduldig. »Warum rufen wir nicht endlich die Polizei? Ich will nicht, daß Nikki noch länger hierbleibt. Er redet doch sowieso nur Unsinn.«
»Da bin ich mir nicht so sicher«, entgegnete David. »Aber wen meint er denn mit dem Vorstand?« fragte Angela.
»Ich fürchte, er meint den
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