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Todesfalter

Todesfalter

Titel: Todesfalter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tessa Korber
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Alles, was an ihr zierlich war, erschien an ihm trocken und zäh. Über sein Selbstbewusstsein sagte das allerdings gar nichts aus. Maria sah, wie er den Unterkiefer anspannte und mit den Zähnen knirschte.
    »Ich fürchte wohl, es ist so«, bekannte sie und machte eine Geste hin zu der Toten.
    Der Mann verschränkte die Hände auf dem Rücken und neigte sich vor. »Eine Landstörzerin«, stellte er abfällig fest. Maria Sibylla wunderte sich, wie er so rasch zu der Feststellung kommen konnte, nur weil das Weib vor der Stadt lag. Sie dachte an den teuren Unterrock, viel zu gut für eine Magd, der dem Mädel zu Lebzeiten sicher Ärger mit der Gerichtsbarkeit eingebracht hätte. Dann betrachtete sie verstohlen die sauberen Füße und die adrette Schürze. Wie konnte man so jemanden für eine Rumtreiberin halten? Sie wollte schon den Mund öffnen, da überlegte sie es sich noch einmal.
    Aber Magdalena kam ihr zuvor. »Das ist die Beata, die war bis Heiligen Joseph Magd bei uns.«
    19. März, notierte Maria Sibylla sich im Stillen.
    Rat Nützel schaute verärgert auf. Sein Unterkiefer mahlte. Endlich fragte er: »Wo sie dann hin ist, wisst Ihr nicht, Jungfer Fürst?«
    Magdalena zuckte mit den Schultern. »Sie wohnt irgendwo in Johannis, glaub ich.«
    Maria sandte ein Stoßgebet zum Himmel. Wenigstens hatte sie nichts vom Poussieren mit den Knechten erzählt.
    Nützel wandte sich an den Schützen. »Die Leiche kommt auf den Friedhof in Johannis. Der Totengräber soll einen Platz dafür finden, bis der Doktor sie anschauen kann. Hier kann sie nicht liegen bleiben. Ich werde versuchen, die Familie ausfindig zu machen.« Er richtete sich auf und strich sein Wams glatt. Langsam schien zu ihm durchzudringen, dass das turnusmäßig übernommene Amt ihm unerwartete Aufgaben, aber auch eine nicht unwillkommene Bedeutung bescherte. Die Lochschöffen wurden vom Rat bestellt für die Halsgerichtsbarkeit. Bei Mord und Totschlag oblag ihnen die Untersuchung des Falls, und Nützel ahnte schon, dass es hier viel zu untersuchen geben würde. Er würde zusammen mit seinem Kollegen an viele Türen klopfen, viele Fragen stellen müssen, bis der Fall aufgeklärt war. Der Gedanke schien ihm zu behagen.
    Maria jedenfalls nahm an, er sei im Augenblick damit abgelenkt genug, um sich zu bücken und die Schachtel aufzuheben. Rasch und verstohlen verstaute sie ihren Fund, aber nicht rasch genug.
    »Was ist das?« Barsch verlangte Nützel zu sehen, was sie da eingesteckt hatte.
    »Die Raupe des Kleinen Frostspanners«, klärte Maria ihn auf, als er angeekelt das Tier betrachtete. Die grelle Farbe, sagte seine Miene, konnte nichts Gutes bedeuten. Er streckte einen dürren Zeigefinger aus, um sie zu berühren, zog ihn aber im letzten Moment zurück. »Teufelsgetier«, murmelte er. »Sagt, Gräffin, wo Ihr Euch doch mit so etwas auskennt: Ist es nicht ein schlechtes Omen, wenn in einem Jahr so früh schon die Raupen auftreten? Und so viele sollen es sein. Meine Frau sagt, sie wird der Viecher im Apfelgarten nicht mehr Herr.«
    Der Schütze hinter ihm bekreuzigte sich unwillkürlich. »Man meint fast, da müsste bald auch Schlimmeres geschehen.«
    Maria zuckte mit den Schultern und lächelte freundlich, doch sie wählte ihre Worte mit Bedacht. »Der Fraß an den Obstbäumen ist schlimm genug. Da braucht man nicht nach mehr zu verlangen oder zu suchen. Die Raupen tragen ihren Schaden in sich und weisen sonst auf nichts Schlimmes hin, scheint mir, aber ich bin nur ein Weib.«
    Nützel schaute sie ungnädig an. »Hm«, machte er. Dann wandte er sich ab. »Michael«, wies er den Schützen über die Schulter an, »mach Er’s, wie ich gesagt habe. Und Ihr, Gräffin, bringt besser Eure Schülerinnen von hier fort.« Nützel legte seiner Tochter die Hand auf den Nacken. »Mein Mädel bleibt für heute daheim. Vielleicht solltet Ihr die anderen auch fortsenden.«
    Als er abgezogen war, schickte Dorothea ihm eine Grimasse hinterher. »Als ob wir kleine Kinder wären.«
    Clara betrachtete die Raupe. »Ein Frostspanner«, meinte sie. »Und er sitzt auf Apfelbäumen? Vielleicht könnte ich einen zu dem Zweig mit Apfelblüten dazusticken, an dem ich gerade arbeite.«
    »Es sind Nachtfalter, und sie fliegen erst im November«, antwortete Maria Sibylla mechanisch. »Aber du könntest eine der Raupen abbilden.«
    »Das wäre hübsch«, mischte Dorothea sich ein. »Das frische Grün harmoniert gut mit dem Rosarot außen an den Blüten.« Die beiden fachsimpelten eine

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