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Todesflirt

Todesflirt

Titel: Todesflirt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Broemme
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Facebook hast du ja gelesen. Irgendwie hatte ich immer das Gefühl, Thor hatte etwas mit Robins Tod zu tun – aber ich konnte ja nichts beweisen.«
    »Und Malte ist echt untergetaucht?«
    »Ja. Ich weiß nicht genau, wo er die ersten Tage verbracht hat. Aber er ist dann wirklich zu Exit gegangen. Ich glaube, da stand sein Plan schon fest. Er hatte ja den Film auf dem Handy gefunden, wo Robin quasi seinen eigenen Tod gefilmt hat.«
    »Hast du den Film gesehen?«
    Ihre schmalen Lippen werden noch dünner. Sie schüttelt den Kopf.
    »Das könnte ich nicht ertragen. Hast du?«
    »Ja. Grauenhaft.« Ich drücke fest ihre Hand.
    »Malte hatte fürchterliche Angst vor Thor. Er dachte, er ist der Nächste auf der Liste. Thor würde ihn genauso totschlagen wie seinen Freund. Deswegen hat er einen Deal mit sich selbst gemacht: Er würde diesen Film niemandem zeigen, aber dafür sofort aussteigen. Sich eine neue Identität zulegen und ganz weit weg von vorne anfangen. Er wollte alles vergessen, Thor, Robin, sogar mich.«
    »Der erste Teil hat ja noch ganz gut geklappt.«
    »Ja. Und ich glaube, die Zeit bei Exit war super für ihn. Du musst dir das mal vorstellen: Wenn du aussteigst – dann bleibt ja von deiner Persönlichkeit nichts mehr übrig. Alles, was du bisher für richtig gehalten hast, ist jetzt falsch. Er hat ja über Jahre hinweg nicht mehr wahrgenommen, was sich außerhalb der Szene abgespielt hat. Angefangen von der Musik, die unsereins so hört, über Klamotten bis zu gesellschaftlichen Debatten, die gerade stattfinden – er hatte von nichts eine Ahnung. Er musste sich komplett neu erfinden. Aber die Exit-Leute waren klasse. Sie haben ihn von Anfang an ernst genommen, haben ihn nicht verurteilt. Sie haben ihn bestärkt in seinem Wunsch, mit allem Schluss zu machen, und haben sich total um ihn gekümmert. Sie haben ihm dann auch den Job in eurem Verein besorgt. Und Malte war wohl so was wie ein Musterschüler, deswegen ist er dort auch genommen worden. Er war so froh, dass er dieser ganzen Scheiße entkommen ist, und hat sich intensiv mit der deutschen Geschichte auseinandergesetzt, sich weitergebildet, gelesen, was ihm in die Finger kam, er hat sogar selbst schon andere Aussteiger beraten – und sich jeden Tag geschämt und verdammt und in Selbstvorwürfen zernagt, wie er je in diese Maschinerie hatte hineingeraten können.
    Allerdings hatten wir in der ganzen Zeit keinen Kontakt. Ich wusste nicht, wo er abgeblieben war. Mein Vater schwieg dazu und tat, als hätte er nie einen Sohn gehabt. Meine Mutter verging in schweigendem Leiden. Es war das schrecklichste Jahr meines Lebens.«
    Eine Bedienung taucht aus dem Nichts auf und bittet uns zu gehen. Die Caféteria schließe jetzt. Wir nicken ihr zu, sie ist ein Wesen aus einer anderen Welt. Ohne uns absprechen zu müssen, laufen Luisa und ich nebeneinander die Straße entlang. Wir gehen in Richtung Isar, dort können wir ungestört weiterreden. Ich fühle mich wie in einer Blase, die durch Raum und Zeit schwebt, losgelöst, absichtslos. Es gibt nur sie und mich.
    »Und dann hat Malte einen Fehler gemacht. Kurz bevor er mit dir zusammenkam, hat er mir eine E-Mail geschrieben. Er habe so schreckliches Heimweh, vermisse mich so, unsere Eltern, es tue ihm so leid, dass wir seinetwegen so sehr leiden mussten und er es nicht wiedergutmachen konnte. Ich war so glücklich, von ihm zu hören. Ich habe ihm zurückgeschrieben und ihn gebeten, mich einmal anzurufen. Ich wollte seine Stimme hören, sichergehen, dass tatsächlich er es war. Er rief an. Wir redeten fast eine Stunde. Er erzählte mir, wie es ihm ergangen war, und am Ende gab er mir seine neue Anschrift. Er meinte, es sei besser, wenn ich ihn nicht per Mail kontaktieren würde. Er hätte das Gefühl, sein Computer sei gehackt worden. Mir war alles egal, ich war so froh darüber, ihn zu hören, du kannst es dir nicht vorstellen. Es war, als sei er neu geboren. Ich versprach, unseren Eltern nichts zu sagen, aber meiner Mutter verriet ich, dass es ihm gut ging. Nur eines sagte ich Malte nicht – ich wollte ihm keine Angst machen. Seit ein paar Monaten war immer wieder mal Thor bei mir aufgetaucht. Ich hab das recht rasch geschnallt, ich kannte ihn ja von Fotos. Manchmal stand er nur auf der anderen Straßenseite, rauchte eine Zigarette und beobachtete unser Haus. Manchmal sprach er mich an, lauerte mir auf, wenn ich aus der Schule kam. ›Ich krieg deinen Bruder schon noch‹, zischte er dann im Vorbeigehen. Völlig

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